0007 - Die Nacht der mordenden Leichen
den Kongreßsaal gehen. Am Abend kommen wir dann nach. Ich habe mir erlaubt, dafür zu sorgen, daß der Wirt Ihr Gepäck in den Wagen bringt. Bis auf Ihre persönlichen Kleinigkeiten ist alles schon in Bills Auto.«
»Sie können es wohl gar nicht mehr erwarten, bis ich verschwinde«, schmollte Nicole, und gleichzeitig mußte sie lächeln, weil sie wußte, daß der Professor nur aus Sorge um sie so handelte.
Und es schmeichelte ihr, wenn sich ein Mann wie Professor Zamorra um sie Sorgen machte.
Bill Fleming und der Professor warteten nicht ab, bis Nicole auch noch ihre restlichen Sachen aus dem Zimmer geholt hatte. Sie verabschiedeten sich unten auf der Straße. Dann stiegen sie in den Citroën. Mallyrand winkte auch nach, als die beiden Freunde aus dem Ort zur Route National 533 hinunterfuhren.
Es war halb elf geworden.
Die Lichter am Armaturenbrett warfen ein gespenstisches Licht auf die Gesichter der beiden Männer. Die Kegel der Scheinwerfer stachen in die bedrohliche Dunkelheit außerhalb des Wagens. Der Mond war noch nicht aufgegangen. Es war fraglich, ob er in dieser Nacht überhaupt aufgehen würde.
Schwarze Wolken waren über dem Ardèche Drôme heraufgezogen. Heiß und stickig feucht war die Luft. Die Männer hatten beide Fenster heruntergekurbelt, doch die Zugluft brachte keine Linderung. Wie ein Film legte sich die klebrig-feuchte Luft auf die Haut und verschloß die Poren. Bill Fleming klebte schon das Hemd am Körper.
»Es wird ein Gewitter geben«, sagte er.
Zamorra grinste. »Bist du jetzt auch schon unter die Wahrsager gegangen? Ich wußte gar nicht, daß du neuerdings ein Faible für die Hellseherei hast.«
»Spotte nur. In einer Stunde bist du naß bis auf die Knochen. Hoffentlich stört das deine Pläne nicht. Wenn ich dich richtig verstanden habe, willst du heute noch ein Lagerfeuer machen.«
»Mit ausgesuchten Gästen«, fügte Zamorra hinzu. »Da wären einmal Yvonne Mortal, hingerichtet am 14. Juli 1574, dann Marie Fraisson und Michel Barrat, zerfleischt und in Stücke gerissen am…«
»Hör auf«, sagte Bill Fleming. »Mir guckt der Rehrücken von heute abend noch aus der Speiseröhre. Ich habe ja bisher nicht gefragt, was du mit dem Zeug im Kofferraum willst, aber jetzt könntest du es mir sagen.«
»Warte, bis wir an Ort und Stelle sind. Es kann ohnehin nur mehr Minuten dauern.«
Zamorra war auf den Weg nach Le Cheylard eingebogen. Er fand den Feldweg, der in die Nähe der Lichtung mit dem Basaltblock führte, auf Anhieb. »Du kannst mir helfen«, sagte er, als er die Handbremse zog.
Dann packten die beiden Männer aus. Zamorra hatte eine starke Taschenlampe auf den Basalt gelegt. In ihrem Schein brachten sie auf die Lichtung, was Mallyrand nach den Wünschen Zamorras besorgt hatte.
Aus dem Holz schichtete der Professor rund um den Basaltblock einen Scheiterhaufen. Er war gerade damit fertig, als Bill eine Strohpuppe anschleppte.
Sie hatte ebenfalls im Kofferraum gelegen. Zamorra lehnte die Puppe an den Steinblock und band sie mit Stricken daran fest. Den Reservekanister mit Benzin stellte er daneben. »Für den Fall, daß es wirklich anfangen sollte, zu regnen«, meinte er dazu.
»Und was jetzt?« fragte Bill Fleming.
»Wir warten noch eine halbe Stunde«, antwortete Zamorra. Er holte den Beutel, der einst der Hexe Yvonne Mortal gehört hatte, aus der Tasche und hängte ihn der Puppe auf dem Scheiterhaufen um den Hals.
In diesem Augenblick zerriß der erste Blitz die Nacht über dem Wald von Le Cheylard. Der Donner folgte krachend.
***
Nicole Duval hatte die Weisung ihres Chefs befolgt, wenn auch widerwillig. Sie machte sich große Sorgen um ihn.
Als das Unwetter hereinbrach, war sie erst fünf Kilometer hinter Lamastre in Richtung Valence. Sie hatte doch noch länger gebraucht, bis sie ihre restlichen Sachen zusammengepackt hatte. Frauen sind nicht sehr schnell, wenn sie sich auf eine Reise machen. Nicole bildete in diesem Punkt keine Ausnahme.
Sie wußte zwar, daß sie im Auto sicher vor dem Unwetter war, aber trotzdem befiel sie eine natürliche Angst, als die Blitze herunterzuckten und der Regen bald danach wie ein Sturzbach gegen die Windschutzscheibe prasselte. Sie stellte die Scheibenwischer auf eine höhere Geschwindigkeit ein. Das Surren des Wischermotors klang beruhigend und anheimelnd. Aus den Gebläsedüsen unter dem Armaturenbrett umschmeichelte warme Luft ihre wohlgeformten Beine. Im Radio spielte ein Streichquartett eine Beethovensonate.
Um ein Haar
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