0007 - Die Nacht der mordenden Leichen
hätte Nicole die Gestalt übersehen, die am Straßenrand aufgetaucht war und auf die Fahrbahn lief. Instinktiv trat Nicole auf die Bremse. Trotzdem konnte sie einen Zusammenprall nicht vermeiden.
Die dunkle Gestalt wurde zur Seite geschleudert. Erst zehn Meter weiter hielt der Wagen an.
Nicole sprang hinaus. Im Nu war sie klatschnaß. Suchend schaute sie sich um.
Der Körper war an den Straßenrand zurückgeflogen. Nicole lief an die Stelle, an der es passiert sein mußte.
Im Graben neben der Straße sah sie das dunkle Bündel. Es regte sich nicht. »Um Himmels willen, sind Sie verletzt?« rief Nicole. Bewegung kam in das Bündel. Ein ovales Gesicht schob sich aus den Falten des schwarzen Umhangs. Im grellweißen Licht des nächsten Blitzes sah Nicole, daß es ein unwirklich schönes Gesicht mit etwas schräggestellten Mandelaugen war.
»Sie sorgen sich umsonst«, sagte die Frau mit rauchiger Stimme.
»Mir ist nichts geschehen.«
Resolut stieg Nicole zu der Fremden in den Graben und versuchte ihr aufzuhelfen. »Aber Sie müssen sich verletzt haben! Der Zusammenprall klingt mir jetzt noch in den Ohren. Der ganze vordere Kotflügel muß eingebeult sein.«
»Sie brauchen mir wirklich nicht zu helfen. Vielleicht habe ich ein paar blaue Flecke, aber die sind bestimmt bald wieder weg.«
Die Frau stand auf. Sie war etwas größer als Nicole. Zamorras Sekretärin wunderte sich, denn die Fremde schien Aufprall und Sturz tatsächlich heil überstanden zu haben.
Dann erst wurde ihr bewußt, daß sie inzwischen bis auf die Haut naß geworden war. »Kann ich Sie mitnehmen?« fragte sie.
»Das wäre sehr freundlich von Ihnen. Es ist nicht weit.«
Der sprachbegabten Nicole fiel sofort der seltsame Dialekt der Frau auf. Sie sprach ein altes Französisch.
Ein altes Französisch?
Nicole wandte sich ruckartig um. Sie war schon zum Wagen vorgegangen. Jetzt sah sie, daß die Frau über dem Asphalt der Straße schwebte, daß ihre Beine den Boden nicht berührten.
Entsetzt wich Nicole zurück. Sie wollte laufen. Nur weg von hier! schrie es in ihr, doch das Feuer, das plötzlich in den Augen der Frau glühte, ließ sie erstarren. Es gab kein Entrinnen mehr für Nicole.
»Gehen Sie zum Auto zurück«, sagte die Frau. »Setzen Sie sich ans Steuer und tun Sie, was ich Ihnen befehle!«
Mit leerem Blick und wie ein Automat ging Nicole zu dem Wagen.
Die Tür war noch offen. Sie stieg ein und hob den Türknopf an der anderen Seite. Ein eisiger Lufthauch schwebte sie an, als sich die Frau setzte. Sie hinterließ keinen Abdruck im Polster.
Nicole startete. Ohne daß die Frau ihr ein weiteres Wort sagen mußte, wendete sie den Wagen an einem kleinen Feldweg. Die Befehle zu ihrem Tun formten sich im Gehirn, und sie waren zwingender als gesprochene Weisungen. Nicole hatte keinen Willen mehr.
Sie fuhr zurück nach Lamastre und an dem Dorf vorbei, der Paßhöhe zu. Dann schlug sie den Weg nach Le Cheylard ein. Fünf Minuten später tauchte Zamorras Citroën im Licht der Scheinwerfer auf.
Nicole stoppte.
Die Frau trat neben sie, als sie ausgestiegen war. Ihre Nägel waren zu langen Klauen angewachsen, zu messerscharfen Krallen. Und diese Krallen legten sich an den Hals Nicoles.
Sie hatte mit der anderen Hand die Hüfte Nicoles umfangen und schob sie wie einen Schild vor sich her auf die Lichtung zu.
***
Eben hatte Zamorra das Benzin über den Scheiterhaufen gegossen.
Er riß ein Streichholz an und setzte den Stoß in Brand. Sofort waberten die Flammen empor und warfen ihren flackernden Schein auch auf den Rand der Lichtung. Zamorras Blick fiel dorthin, und er erstarrte.
Er erkannte Nicole, und er sah, in welcher Situation sie war. Die Braut des Satans lächelte höhnisch. Ein grausamer Zug hatte sich um ihre Lippen gelegt.
Bill Fleming hatte noch nichts bemerkt. Zamorra stieß ihn an.
»Wir bekommen Besuch.«
Bill fuhr herum.
»Wo? – Aber das ist ja…«
Er wollte losstürmen.
»Bleiben Sie, wo Sie sind«, sagte Yvonne Mortal schneidend scharf.
Bill stockte.
»Ich zerfetze Ihrer Freundin die Kehle, wenn Sie sich bewegen!«
Die Frau kam näher und trat voll in den Lichtkreis des Feuers. Wie eine Puppe marschierte Nicole Duval vor ihr her. Es hörte auf zu regnen. Nur die Blitze zuckten noch. Das Donnergrollen entfernte sich.
»Was haben Sie vor?« fragte Zamorra.
Yvonne Mortals Lächeln wurde zynisch. »Das wissen Sie sehr genau, Professor Zamorra. Ich möchte mit Ihnen tauschen.«
»Sie können mit dem Amulett
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