0009 - Ich jagte den Mississippi-Piraten
herumgerissen, so daß ihre Nase jetzt, genau wie die unseres Bootes, zur Strommitte zeigte. Sie verloren Zeit durch dieses Manöver, und ich kam ihrem Heck für zwei Sekunden ganz nah. Durch den Lärm der beiden Maschinen glaubte ich etwas wie einen menschlichen Schrei zu hören. Dann entfernte sich das Geräusch ihrer Maschine schnell.
»Sheriff!« rief ich. »Wo sind Sie? Nehmen Sie das verdammte Steuer! Wir können sie noch Quick in die Arme treiben. Haben Sie kein Alarmsignal mit ihm vereinbart? Irgend etwas wie eine Rakete oder so?«
Legram richtete sich vom Boden hoch und kam an meine Seite.
»Das haben wir nicht«, sagte er etwas kleinlaut.
Vom Bug her stelzte Cummingham zur Mitte.
»Ich glaubte, ich erwischte einen«, brummte er. »Haben Sie gehört, wie er schrie?«
Ich klopfte ihm auf die Schulter und fragte laut nach einer Taschenlampe. Tabak-Smith tauchte aus irgendeiner Deckung auf und gab mir ein bescheidenes Ding. Ich stellte mich an den Bug und begann zu morsen.
Eine halbe Stunde später erhielt ich Antwort durch den Scheinwerfer von Quicks Boot. Wir arbeiteten uns auf Sprechweite aneinander heran.
Schade, Quick hatte nichts gesehen und gehört.
»Wir können heimfahren«, bemerkte Tabak-Smith etwas kläglich. »Heute nacht taucht er nicht noch einmal auf.«
Ich lachte nur. Quick erhielt die Anweisung, Beek auf dem schnellsten Wege zu unterrichten. Dann sollten möglichst alle Schiffe, die zwischen Cosher und Freebanc unterwegs waren, angehalten und Erkundigungen eingezogen werden, ob sie heute nacht beraubt worden waren.
Ich glaube, das war die ungemütlichste Nacht, die Legrams tapfere Piratenjäger je mitgemacht hatten. Wir stoppten Schiff nach Schiff. Die Kapitäne fluchten und schimpften, aber keiner von ihnen wollte in dieser Nacht auch nur einen Schwanz des Mississippi-Piraten gesehen haben, und ich hatte keinen Grund, ihre Angaben zu bezweifeln.
Erst um acht Uhr morgens, zwölf Stunden nach unserer Ausfahrt, liefen wir Basqueville wieder an. Die »X 3« lag schon am Steg, und Quicks »Z 2« steuerte wenige Minuten nach uns in die Bucht.
»Hallo«, begrüßte mich Phil, »ich hörte, du hattest schon Kontakt?! Klappt ja, wie auf Bestellung.« Sie warteten auf die Abhaltung einer Lagebesprechung. Die Smiths, der Vorarbeiter und der Amtsgehilfe standen übernächtigt herum und wagten nicht, nach Hause zu gehen. Ich erlöste sie. »Ich denke, Gentlemen, wir gehen erst einmal schlafen. Vielleicht treffen wir uns am Nachmittag im Büro des Sheriffs. Einverstanden?«
Sehr bereitwillig nickten sie.
»Einen Augenblick, Mr. Cummingham«, hielt ich den Fischer zurück. »Wenn Sie sich nicht zu müde fühlen, lade ich Sie zu einem Frühstück ein.« Er nahm wortlos an. Den Fischer in der Mitte schlugen Phil und ich die Richtung zum Hotel ein, während die anderen etwas überrascht und sicherlich auch ein wenig beleidigt zurückblieben.
»Das ist Slim Cummingham«, erklärte ich Phil. »Der einzige Mann von Legrams Piratenjägern, der auch schießt, wenn er das Wild sieht.«
Cummingham verfaltete seinen schmalen Mund zu einem dünnen Grinsen.
Während der Wirt uns das Frühstück auf trug, fragten wir den Fischer nach seinen Lebensumständen aus. Er bewohnte allein ein Hausboot oberhalb Basqueville, und er war dem Aufruf des Sheriffs gefolgt, weil es für jede Fahrt einen Dollar Spesen aus der Amtskasse gab. Im Grunde war er arm wie eine Kirchenmaus, aber das störte ihn nicht, solange er einen Fisch für seine Bratpfanne aus dem Fluß zu ziehen vermochte, und hin und wieder einen Biber wildern konnte, dessen Fell ihm Geld für Tabak und Salz brachte. Er war nichts anderes als ein Landstreicher, der statt der Straße das Wasser zu seinem Lebenselement erkoren hatte, aber er besaß die hellen Augen des geborenen Jägers und den schnellen Verstand eines Mannes, der gewohnt war, wie ein Wild zu leben.
»Was halten Sie vom Mississippi-Piraten, Slim?« fragte ich, als die erste Tasse Kaffee unter unseren Nasen dampfte.
Er schob sich ein Brötchen hinter die Zähne. »Kluger Junge«, grinste er. »Wenn ich genügend Anfangskapital hätte, machte ich es ihm nach.«
»Glauben Sie, daß er aus der Gegend stammt, oder daß er von New Orleans herauf kommt?«
Er zuckte ausdrucksvoll die Schultern.
»Sie kennen doch alle Leute hier. Ist jemand darunter, der für diesen Job in Frage kommt?«
»No«, antwortete er bedächtig, »wenn ich es recht überlege, muß ich Ihre Frage
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