0009 - Ich jagte den Mississippi-Piraten
wäre, würde ich meinen Kahn mitten zwischen den Booten am Ufer der Stadt verstecken. Die großen Gangster in New York wohnen auch mit Vorliebe neben einem Polizeirevier.«
»In New York mag das richtig sein«, antwortete Legram mit einem überlegenen Lächeln. »Hier kennt jeder jeden, und ein fremdes Gesicht fällt sofort auf.«
»Wer behauptet, daß der Mississippi-Pirat ein Ortsfremder ist?« sagte ich langsam. »Im Gegenteil beweist doch seine genaue Kenntnis des Flusses, daß er ein Einheimischer sein muß.«
Der Sheriff kam zu seinem Tisch zurück.
»Selbstverständlich haben wir uns das auch gesagt, aber ich kenne niemanden in den drei Städten, der das Zeug zu einem solchen Unternehmen hat.«
Ich zuckte die Achsel. »Man täuscht sich leicht in den Leuten, Sheriff. Kennen Sie außerdem wirklich alle Leute, die auf den Hausbooten entlang der Ufer wohnen, und die doch, wie ich gesehen habe, ihren Standort fast ständig wechseln?«
Jetzt war er beleidigt.
»Sie glauben doch nicht im Ernst, Mr. Cotton, daß sich der Mississippi-Pirat, der immerhin inzwischen über fünfzigtausend Dollar erbeutet haben muß, tagsüber mit Fischfang befaßt?«
»Es wäre nicht die schlechteste Tarnung«, entgegnete ich, und Beek rief dazwischen: »Warum nicht, wenn auch die Polizei sich mit Fischfang beschäftigt? Ich habe schon prächtige Welse gefangen.«
Mr. Legram zuckte nur die Achsel, um darzutun, daß er die Sache für zu ernst hielt, um Witze zu reißen.
»Wenn es Ihnen recht ist, Sheriff«, sagte ich, »so möchten wir ganz gern zunächst in Basqueville bleiben. Es liegt richtig in der Mitte. Vorausgesetzt, es gibt hier ein Hotel.«
»Ein Hotel gibt es, aber ich weiß nicht, ob es Ihren New Yorker Ansprüchen genügt.«
Phil lachte. »Sie glauben nicht, wie bescheiden New Yorker sein können, Sheriff.«
Eine halbe Stunde später befanden wir uns auf unseren Zimmern in der ersten und letzten Etage des kleinen Hotels in unmittelbarer Nähe der Kirche. Die Zimmer lagen nebeneinander und besaßen eine Verbindungstür. Phil war mit dem Kofferauspacken schneller fertig und kam herüber. Er setzte sich auf mein Bett und zündete sich eine Zigarette an.
»Was hältst du von der Sache, Jerry?« fragte er.
»Eigentlich noch nichts. Ich habe nur einen Eindruck, und ich fürchte, dieser erste Eindruck ist nicht sehr positiv. Als Landfremde haben wir es hier noch schwerer als jeder andere, und mit herkömmlichen Methoden dürfte wenig zu holen sein. Wahrscheinlich müssen wir einen großen Zauber starten.«
»Razzia oder so etwas?«
»O nein.« Ich packte mein Reisenecessaire aus und bepflasterte den Waschtisch mit Zahnbürsten, Haarwasser und Gesichtslavendel. Dazu dozierte ich:
»Die Fäden in diesem Wasserspielchen zieht bis jetzt der Mississippi-Pirat. Er taucht auf, wo er will und wann er will. Das muß sich ändern. Wir müssen die Fäden in die Hand bekommen und so daran ziehen, daß der Herr Räuber auftaucht, wo wir wollen und wann wir wollen.«
»Bin gespannt, wie du das organisieren willst.«
»Weiß ich selbst noch nicht. Ich setze dir hier nur eine Theorie auseinander. Sie in die Praxis zu übersetzen, dürfte nicht ganz einfach sein.«
Wir gingen in das Restaurant des Hotels hinunter und ließen uns vom Wirt ein verspätetes Lunch servieren. Noch während wir aßen, kamen der Sheriff, Beek und der G-man aus Freebanc, Peter Quick. — Quick sah aus wie ein Bruder von Beek, nur daß er hellblond war und ein wenig länger und noch schlaksiger. Wir luden die drei Piraten-Jäger zu einem Drink ein, gewissermaßen zu einem Einstandstrunk, und wir leerten das erste Glas auf gute Zusammenarbeit.
»Wie stellen Sie sich diese Zusammenarbeit vor?« erkundigte sich Sheriff Legram.
»Überhaupt noch nicht, Sheriff. Wenigstens heute nacht möchten mein Freund und ich noch nichts anderes tun, als Ihre Patrouillenfahrten mitzumachen.«
»Auf welchen Schiffen?«
»Wenn es Ihnen recht ist, fahre ich vielleicht mit Ihnen, und mein Freund mit Mister Beek oder Mister Quick.«
Wir einigten uns rasch. Phil schloß sich Anthony Beek an, der gewissermaßen ältere Rechte reklamierte. Der Sheriff bat mich, pünktlich um 8 Uhr an der Anlegestelle zu sein. Er entschuldigte sich. Es wären noch einige Dienstgeschäfte zu erledigen.
Sobald er aus der Tür war, zog Anthony Beek ein Päckchen Karten aus der Tasche.
»Ich schlage eine ehrliche Pokerpartie vor«, sagte er.
Ich lachte. »Bedaure, Anthony. Ich für meinen Teil
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