001 - Im Zeichen des Bösen
Buer. »Schon als Kind fürchtete ich die Nächte, in denen mich der Wunsch nach frischem Menschenblut überkam. Meine Zieheltern waren meine ersten Opfer. In meinem jugendlichen Ungestüm erkannte ich noch nicht, daß es keineswegs unumgänglich war, die Opfer zu töten. Erst später merkte ich, daß man langjährige Beziehungen zu den Opfern haben kann, wenn man seine Begierde im Zaume hält. Heute habe ich unter meinen Patienten viele Opfer, mit denen mich eine innige Freundschaft verbindet. Wir können ohne einander nicht mehr sein, und ich hüte und hege meine Herde wie einen kostbaren Schatz.«
Er war jetzt nicht mehr der kleine, unscheinbare Mann, sondern ein furchterregender Dämon, dessen Augen in die Höhlen zurückgesunken und blutunterlaufen waren. Als er geendet hatte, fletschte er sein Gebiss und zeigte seine langen, hervorspringenden Eckzähne.
Jörg Eklund war auch nicht mehr der Playboy mit den weibischen Zügen. Sein sinnlicher Mund schien zu zerfließen, die Nasenflügel wurden breiter, seine Kiefer wuchsen nach vorn, und unter den wulstigen, anschwellenden Lippen kam ein Raubtiergebiß zum Vorschein; überall in seinem Gesicht, selbst auf der fliehenden Stirn und an den Schläfen, wuchsen ihm dichte Haarbüschel. Seine gepflegten Hände wurden zu behaarten Pranken.
»Ich habe meine Frau in einer Vollmondnacht gerissen«, verkündete er mit rauher, kehliger Stimme. »Sie reizte mich zwar überhaupt nicht, aber ich tat es aus der Überlegung heraus, ihr Vermögen zu erben.«
»Eine Schande, daß ihre Leiche vermodern mußte«, sagte Edward Belial, der Leichenbestatter, und ließ seine zarten Hände einander liebkosen. Er war der einzige, der sich überhaupt nicht verändert zu haben schien. »Ich hätte deine Frau bestimmt wieder so herrichten können, daß man die Verstümmelung nicht bemerkt hätte, Jörg. Ich hätte sie mir schon appetitlich zubereitet. Denn darauf verstehe ich mich. Ich bin ein Gourmet und vergreife mich nie an Toten, die vorher nicht durch meine künstlerischen Hände gegangen sind.«
Dorian wurde beinahe übel. Er hatte schon über Ghoule gelesen und kannte fast alle Berichte über das Schmatzen und Schlürfen in den Gräbern von frisch Verstorbenen, aber er hätte nie daran gedacht, daß Edward Belial ein solcher Aasfresser sein könnte. Er hatte sich eingebildet, starke Nerven zu besitzen, aber als er jetzt mit anhören mußte, wie diese Teufel in Menschengestalt ihre greulichen Vergehen im Plauderton eingestanden, da konnte er nur mit Mühe seine Fassung bewahren. Dennoch durfte er sich nichts anmerken lassen, mußte mit den Wölfen heulen, denn wenn sie merkten, daß er nicht zu ihnen gehörte, war er verloren – und natürlich auch Lilian.
Wie aus weiter Ferne vernahm er die Stimme der Gräfin: »Dennoch muß ich dir den Vorwurf machen, unklug gehandelt zu haben, Dorian. Es war dein Fehler, diese Frau mitzunehmen. Sie gehört nicht in unseren Kreis, auch wenn sie deine rechtmäßige Frau ist. Du hättest sie nicht herbringen dürfen.«
»Das habe ich inzwischen eingesehen«, meinte Dorian.
Die Gräfin zeigte ein diabolisches Lächeln. »Vielleicht läßt sich der Fehler ausmerzen, wenn der Fürst der Finsternis Wohlgefallen an ihr zeigt. Dann könntest du ihn versöhnen, indem du sie ihm überläßt. Er ist selten abgeneigt, mit warmblütigen Mädchen seinen Spaß zu treiben.«
Dorian hatte das Gefühl, das Blut würde ihm in den Adern gefrieren.
Anastasia von Lethian mußte erkannt haben, wie ihm zumute war, denn sie sagte tadelnd: »Es ist töricht, mit Geschöpfen, die nicht unserem Kreis angehören, feste Verbindungen einzugehen. Das führt zu nichts.«
»Du sprichst zu tauben Ohren, Anastasia«, rief Bruno Guozzi höhnisch. »Dorian ist dieser Weibsperson verfallen. Sie nennt ihn liebevoll Rian. Soll ich einmal nachsehen, wie es deiner Geliebten geht, Rian? Ich hätte nicht übel Lust, sie ganz fest in meine Arme zu nehmen.«
»Laßt Dorian in Ruhe!« fuhr die Gräfin dazwischen. »Er war schon immer sensibler als ihr. Ich war oft in meinen Träumen bei ihm und habe herauszubekommen versucht, nach wem er geraten ist, aber ich weiß bis heute nicht, welche Veranlagung er hat. Willst du es mir nicht selbst sagen, Dorian?«
Er spürte, wie ihm unter den stechenden Blicken der Hexe heiß wurde, fühlte sich nackt und hilflos vor ihr, befürchtete, daß sie seine Gedanken lesen konnte und seine geheimsten Regungen kannte.
»Für mich ist alles – noch
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