0010 - Der endlose Tod
wollten dieses Wissen aus Hannibal Kochs Geist löschen, damit er nicht auf die wahnwitzige Idee kam, Leif den Roten zu suchen, um ihn zu erlösen.
Die grünen Fratzen grunzten wie Schweine und entfachten einen Höllenlärm, den Susan Koch, die sich im selben Raum befand, jedoch nicht hören konnte. Alles das spielte sich in Kochs Kristallkugel und in seinem Kopf ab.
Die grünen Monster verursachten in Kochs Schädel entsetzliche Schmerzen. Der Hellseher hatte das Gefühl, seinen Kopf mit kochendem Wasser übergossen zu haben.
Alles wäre weit weniger schlimm gekommen, wenn Hannibal Koch sich nicht geweigert hätte, die verzweifelten Hilferufe des Wikingers zu vergessen.
Er war ein Mann von ungeheurer Willensstärke. Aus dem Gehirn jedes anderen hätten die Horrorwesen die Erinnerung an den Hilferuf im Sturm weggefegt. Doch Hannibal Koch wollte das empfangene Signal nicht vergessen. Er umklammerte es im Geist und ließ es nicht mehr los. Ein erbittertes Ringen war das – und es konnte tödlich enden. Eiskalter Schweiß perlte auf Kochs Stirn. Er faßte sich mit zitternden Händen an die Schläfen, hinter denen ein höllischer Lärm tobte.
Langsam zerrann der Name des Wikingers, obwohl sich Hannibal Koch verbissen darauf konzentrierte.
Die Störungen der Dämonen wurden immer ungestümer. Kochs Gesicht war von einer übermenschlichen Anstrengung verzerrt.
Jetzt erst bemerkte Susan, daß mit ihrem Vater irgend etwas nicht stimmte. Er wand sich, als litte er furchtbare Qualen. Das blonde Mädchen erschrak zutiefst.
»Großer Gott, Vater!« rief sie entsetzt, als sie in Hannibal Kochs Gesicht blickte.
Da wurden die Schmerzen so stark, daß der Hellseher einen heiseren Schrei ausstieß. Gleichzeitig schnellte er vom Hocker hoch. Er vollführte einen zuckenden Tanz, stöhnte, röchelte, riß sich mit zitternden Händen an den wenigen Haaren, die er noch hatte. Seine Augen drehten sich so weit nach oben, daß nur noch das Weiße zu sehen war.
Und dann kippte er mit einem gepreßten Schrei nach hinten weg…
***
»Da ist es«, sagte John Sinclair zu Suko.
Er wollte anklopfen, da vernahm er den Schrei des Hellsehers. Die beiden Freunde warfen sich einen gehetzten Blick zu. Wie auf Kommando rissen sie die Tür auf und stürmten in die enge Garderobe.
Susan Koch nahm von ihnen nicht die geringste Notiz. Ihr Vater lag auf dem Boden und regte sich nicht. Sie kniete neben ihm und rief immer wieder mit tränenerstickter Stimme: »Vater! Vater! O Gott, Vater!«
John beugte sich über den Hellseher. Er hob das rechte Augenlid des Mannes und tastete nach Hannibal Kochs Halsschlagader.
»Vater!« stammelte das erschütterte Mädchen.
»Es ist nur eine Ohnmacht«, sagte John beruhigend. »Ich denke, er wird die Augen bald wieder aufschlagen.«
Susan blickte ihn durch einen Tränenschleier an. »Sind Sie Arzt?«
»Das nicht, aber meine Kenntnisse reichen aus, um festzustellen, ob jemand noch lebt oder… ob er tot ist… Suko!«
»Ja, John?«
»Faß mit an. Wir legen ihn aufs Sofa.«
Die Männer hoben den Ohnmächtigen hoch. Hannibal Kochs schlaffer Körper hing in der Mitte durch, und seine Arme schleiften über den Boden. John wandte sich an Susan, die sich geräuschvoll schneuzte und immerzu nervös mit den Fingern spielte.
»Es gibt in diesem Theater sicherlich einen Arzt, Miß.«
»Ja. Dr. Nick Subbrise.«
»Hol ihn her, Suko«, bat John, ohne den Blick von Susan zu wenden. Der Chinese machte sich sofort auf den Weg. »Keine Sorge, Miß. Ihr Vater wird schon wieder. Wie ist es zu dieser Ohnmacht gekommen?«
»Ich weiß nicht recht… Er arbeitet einfach zuviel… Sind Sie nicht Oberinspektor Sinclair?«
»Ja, der bin ich.«
»Sie haben Vaters Show gesehen.«
»Ich war von seinen Leistungen sehr beeindruckt«, gab John zu. »Da ich mich nicht nur von Berufs wegen mit außergewöhnlichen Dingen befasse, wollte ich Hannibal Koch gern einmal kennenlernen.«
»Diese Vorstellungen strengen ihn physisch und psychisch ungemein an«, sagte Susan. Sie tupfte die Tränen von ihren Wangen.
»Das habe ich gesehen«, nickte John.
»Er ist nach der Show immer so fertig, daß er sich kaum noch auf den Beinen halten kann. Ich habe ihm geraten, etwas kürzerzutreten, aber er hört nicht auf mich. So ein Schwächeanfall mußte einfach mal kommen.«
»Sie sind also der Meinung, er ist wegen Überarbeitung zusammengebrochen.«
»Weswegen sonst?« fragte Susan verwirrt.
»Nun, als ich mit meinem Freund vor der
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