0010 - Der endlose Tod
berichtete, würden sie es wohl nie erfahren.
Es war bei dieser Sache nicht mit rechten Dingen zugegangen, das stand für John Sinclair fest.
Dr. Subbrise blickte nervös auf seine Uhr, dann auf das bleiche reglose Gesicht von Hannibal Koch.
»Ich versteh’s einfach nicht!« ächzte der Arzt. Er sah Susan mit zusammengezogenen Brauen und gefurchter Stirn an. Mittlerweile waren fünfunddreißig Minuten vergangen. Nick Subbrise wollte nicht mehr länger warten. Es fiel ihm schwer, zuzugeben, daß er mit seiner Weisheit am Ende war. Aber er tat es, weil er sich allmählich um das Wohl des Patienten Sorgen machte. Der Puls, die Herztätigkeit waren zwar nach wie vor zufriedenstellend, aber der Tod ist manchmal ein tückischer Bruder, der oft dann an einen Menschen herantritt, wenn man am wenigsten mit seinem Erscheinen rechnet.
Es wäre kein Renommee für Dr. Subbrise gewesen, wenn ihm der bekannte Hellseher unter den Händen weggestorben wäre. Deshalb schlug er vor: »Wir sollten ihn so schnell wie möglich in einer Klinik unterbringen. Da hat man mehr Möglichkeiten, ihn zu untersuchen. Man kann ihn auf die Intensivstation bringen und mittels zahlreicher hochempfindlicher medizinischer Apparate rund um die Uhr überwachen.« Subbrise hob den Kopf und sah Susan an. »Wenn Sie damit einverstanden sind, lasse ich Ihren Vater von einem Krankenwagen abholen.«
Susan nickte stumm.
Ihre Augen begannen sich wieder mit Tränen zu füllen. In diesem Moment verfluchte John Sinclair seine eigene Ohnmacht. Er wollte helfen, aber es war ihm nicht möglich, irgend etwas zu tun. Dr. Subbrise eilte davon. Zwölf Minuten später traf bereits der Krankenwagen ein. Zwei bullige Träger legten den immer noch Ohnmächtigen auf ihre Bahre. Man gestattete Susan, ihren Vater zu begleiten.
John und Suko verließen mit den anderen die Garderobe.
Draußen im Korridor legte John Sinclair dem besorgten Mädchen die Hand auf den Arm. Sie blieb kurz stehen und sah ihm traurig in die Augen. »Wenn ich Ihnen irgendwie helfen kann, lassen Sie es mich unverzüglich wissen«, bat John mit ernster Miene.
Er gab ihr seine Karte.
Sie nahm sie in die Hand, drehte sich wortlos um und folgte der Bahre, auf der ihr Vater fortgetragen wurde.
***
New Scotland Yard.
In dem Gebäude, das zwischen der Victoria Street, dem Broadway und der Dacre Street liegt, sind 2700 Personen beschäftigt. Einer davon ist Oberinspektor John Sinclair.
Er stand am Fenster seines Büros und rauchte. Mit seinen Gedanken war er bei Hannibal Koch und seiner Tochter Susan, die sein ganzes Mitgefühl hatte. Er hatte gleich heute morgen seine Sekretärin Glenda Perkins gebeten, ihn mit der Klinik, in die man Hannibal Koch eingeliefert hatte, zu verbinden. Er wollte sich nach Kochs Befinden erkundigen, aber der Angestellte, den er an die Strippe bekommen hatte, bedauerte: »Tut mir leid, Sir. Am Telefon geben wir prinzipiell keine Auskunft.«
»Sie haben wohl nicht richtig verstanden, ich bin Oberinspektor Sinclair von Scotland Yard!«
Der Kerl hatte spöttisch gelacht. »Das kann jeder behaupten, Sir.«
»Mann, welchen Grund sollte ich haben…«
»Keine Auskunft am Telefon, Sir. Sorry.« Klick. Aus. Der andere hatte kurzerhand aufgelegt. Es hatte zwar keinen Sinn, aber John fühlte sich erleichtert, nachdem er sich ein paar deftige Schimpfworte von der Seele geredet hatte.
Die Gegensprechanlage summte. John stieß sogleich die Zigarette in den Aschenbecher. Glenda meldete Susan Koch. John traute seinen Ohren nicht.
»Herein mit ihr!« rief er erstaunt, und sein Blick richtete sich sodann auf die Tür, die sich einige Lidschläge später öffnete.
John versuchte an Susans Gesicht abzulesen, wie es ihrem Vater ging. An seinem rätselhaften Zustand schien sich noch nichts geändert zu haben. Reichlich mysteriös war das. John reichte dem Mädchen die Hand. Ihre Finger fühlten sich kalt und kraftlos an. Er bat sie, Platz zu nehmen. Sie trug ein bezauberndes Tweedkostüm. Der Wind, der durch Londons Straßen pfiff, hatte ihr schulterlanges Blondhaar in Unordnung gebracht. Sie schlichtete es jetzt kurz mit ihren flinken Fingern und stellte ihre große Lederhandtasche auf Johns Schreibtisch.
Er fragte sie, ob sie Tee, Kaffee oder einen Scotch haben wollte. Sie verneinte dreimal. Er nickte und setzte sich, legte die Hände auf den Tisch. Gespannt erkundigte er sich nach dem Befinden ihres Vaters.
»Die Ärzte stehen vor einem Rätsel«, begann Susan Koch mit belegter
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