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0010 - Der endlose Tod

0010 - Der endlose Tod

Titel: 0010 - Der endlose Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Friedrich Tenkrat
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Garderobentür stand, schrie Ihr Vater so laut, als würde er wahnsinnige Schmerzen erleiden.«
    Susans Augen weiteten sich. »Mein Gott, Sie haben recht. Kurz vor seiner Ohnmacht muß er schreckliche Qualen gelitten haben. Er saß hier auf dem Hocker und krümmte sich vor Schmerzen. Sein Gesicht war verzerrt. Vater schnellte hoch, zuckte, stöhnte und röchelte. Er riß sich an den Haaren und brach dann ganz plötzlich zusammen.«
    »Hatte Ihr Vater schon mal einen solchen… Anfall?« wollte John wissen.
    »Nein«, antwortete Susan augenblicklich. »Noch nie. Er war bisher vollkommen gesund – abgesehen von der vorübergehenden körperlichen Schwäche nach seinen Auftritten.«
    »Was könnte diese Schmerzen hervorgerufen haben?«
    »Lieber Himmel, wenn ich das bloß wüßte«, sagte Susan und warf einen verzweifelten Blick auf ihren ohnmächtigen Vater.
    John wies auf den Hocker, der vor dem Schminktisch stand. »Er saß hier?«
    »Ja.«
    »Was machte er?«
    »Er wollte sich abschminken.«
    John blickte in das eingefallene Gesicht des Mannes. »Das hat er wohl nicht geschafft.«
    »Nein. Dort steht noch der Cremetiegel. Neben der Kristallkugel.«
    »Er hat den Tiegel nicht geöffnet«, stellte John Sinclair aufmerksam fest. »Warum nicht?«
    »Liebe Güte, er war erschöpft. Jeder Handgriff dauerte bei ihm eine Ewigkeit.«
    »Hat er die Kristallkugel angesehen?« wollte John wissen.
    Susan dachte kurz nach. Sie nagte an der Unterlippe. »Jetzt, wo Sie es sagen… Ja. Ja, er hat die Kugel angesehen und irgend etwas gemurmelt.«
    »Was?« fragte der Oberinspektor wie aus der Pistole geschossen.
    »Das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Ich habe nicht darauf geachtet.«
    »Kann er in seiner Kugel etwas gesehen haben?«
    »Keine Ahnung.«
    »Hat er irgendwann schon mal Visionen gehabt, wenn er die Kugel betrachtete?« bohrte John Sinclair unermüdlich weiter. Er witterte hinter der Ohnmacht des Hellsehers eine unnormale Reaktion auf eine vielleicht zuvor übersinnliche Begebenheit.
    »Er hatte ab und zu mal Visionen«, berichtete Susan Koch. »Sie betrafen zumeist unsere Freunde und Bekannten. Wenn ihnen ein Unglück bevorstand, rief Dad sie an und bat sie, nicht aus dem Haus zu gehen. Die meisten hielten sich an seinen Rat. Diejenigen, die darüber lachten, landeten entweder im Krankenhaus oder… auf dem Friedhof.«
    »Wenn ihm die Kristallkugel Unheil ankündigte, wie verhielt er sich dann?« erkundigte sich John.
    »Gefaßt.«
    »Er schrie nicht, hatte keine Schmerzen?«
    »Nein.«
    »Nun, er wird uns sicher erzählen, was er gesehen hat, sobald er wieder zu sich gekommen ist«, meinte John. Er tätschelte die Wangen des Ohnmächtigen und hoffte, daß Koch die Augen bald aufschlagen würde. Doch Koch schlief weiter.
    Schritte.
    Suko kam mit Dr. Nick Subbrise. Der kleine untersetzte Mann hätte Nervenarzt in einem Klamaukfilm sein können. Mal wedelte er mit dem Kopf, zuckte die Achseln, dann streckte er beide Arme weit von sich.
    Er rückte sich die Brille zurecht. Ein riesiges Ding, einem Kinderfahrrad nicht unähnlich. Sein Blick streifte Susan und John. Dann sagte er mit dünner Stimme: »Darf ich mal?«
    John trat zur Seite. Dr. Subbrise stellte die Bereitschaftstasche neben dem Sofa auf einen kleinen Tisch, klappte sie auf und holte sein Stethoskop heraus. Er bat Susan, die Brust des Hellsehers freizumachen. Er hörte sich die Herztöne an, kontrollierte den Puls, zog dann eine Spritze auf und stach sie dem Bewußtlosen in den Arm. Den Anwesenden versicherte er, daß Hannibal Koch – den er sehr bewunderte – in spätestens fünfzehn Minuten wieder da sein würde.
    Dr. Subbrise irrte sich.
    Koch schlug die Augen nicht nach fünfzehn, nicht nach zwanzig und nicht nach dreißig Minuten auf.
    Nick Subbrise schüttelte beunruhigend den Kopf. »Das verstehe ich nicht«, seufzte er ratlos, während er mit verlegener Miene Kochs Nacken massierte. »Das kann ich einfach nicht begreifen.« Erneut horchte er den Patienten ab. »Die Herztöne sind da. Ein kräftiger, ruhiger, regelmäßiger Schlag! Und das Serum, das ich ihm gespritzt habe, weckt normalerweise Tote auf.«
    Die Ratlosigkeit des Arztes gab John Sinclair zu denken.
    Irgendwie nahm diese Sache keinen gewohnten Gang. Johns Blick heftete sich auf die kindskopfgroße Kristallkugel, die in dieser Angelegenheit, seiner Meinung nach, keine unbedeutende Rolle gespielt hatte. Was hatte sie Hannibal Koch gezeigt? Wenn der Wahrsager es ihnen nicht

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