0011 - Der Irre mit der Teufelsgeige
Silberkugeln aus dem Lauf und in den Körper der Eule. Grässlich kreischte sie auf, schlug wild mit den Flügeln, so dass ich zurückweichen musste.
Dumpf klatschte das dämonische Tier zu Boden. Es zuckte ein paar Mal und blieb dann liegen.
Doch dann geschah etwas Seltsames. Die Eule begann sich zu verwandeln. Die Federn fielen ab, als würde eine unsichtbare Hand sie ausreißen. Die Haut des Tieres kam zum Vorschein. Aus den Poren stieg weißer Dampf zur Decke auf.
Durch die zerborstene Scheibe pfiff der Wind. Die Schwaden wurden in meine Richtung gedrückt, reizten mich zum Husten. Tränen traten in meine Augen, und hätte ich nicht so dicht am Fenster gestanden, wären meine Lungen vielleicht geplatzt.
So aber verflüchtigte sich der Qualm. Zurück blieb…
Ich stutzte, hielt den Atem an, schüttelte den Kopf, schloss die Augen, öffnete sie wieder, doch das Bild blieb.
Vor mir lag nicht die tote Eule. Auf dem Boden ruhte – ein junges Mädchen!
Ich war mit einem Schritt bei ihr, ging neben ihr in die Knie und fühlte den Puls. Kein Ausschlag. Nichts. Das Mädchen war tot.
Jetzt packten mich die Vorwürfe. Ich hätte sie nicht zu töten brauchen, hätte versuchen müssen, die Eule auf eine andere Art zu besiegen. Aber wer konnte vorher wissen, dass diese mordgierige Eule in Wirklichkeit ein junges Mädchen war?
Seltsam drückend erschien mir die Stille der Wohnung. Auch das Geigenspiel war nicht mehr zu hören. Ob es etwas mit dem Tod des Mädchens zu tun hatte? Fast kam es mir so vor.
Das Girl lag auf der Seite, hatte das rechte Bein angewinkelt. Es war nackt. Ich drehte es behutsam auf den Rücken. Das lange blonde Haar umrahmte das Gesicht wie ein goldenes Vlies. Die Lippen waren halb geöffnet. Die Nase war klein und zierlich. Sie wurde von winzigen Sommersprossen umrahmt. Über den schönen blauen Augen lag jetzt die Starre des Todes.
Dicht unterhalb der linken Brust befanden sich die beiden Einschusslöcher. Kein Tropfen Blut war aus den Wunden gequollen, nicht einmal schwarzes Dämonenblut befand sich in ihrem Körper.
Ich hatte sie noch nie im Leben gesehen. Minutenlang starrte ich auf die Tote und merkte, wie sich eine innere Leere in meinem Körper ausbreitete. Es gibt Typen, denen macht es nichts aus, wenn sie einen anderen Menschen erschossen haben. Ich gehöre nicht dazu.
Irgendwann stand ich auf. Wir hatten Anfang März, und durch das zerbrochene Küchenfenster pfiff ein scharfer Wind. Er bauschte meine Schlafanzugjacke auf und jagte einen kalten Schauer über meinen Rücken.
Ich ging zurück in mein Schlafzimmer und zog mich an. Dabei ließ ich mir das Geschehen noch einmal durch den Kopf gehen.
Ich wusste nicht, was die Mächte der Finsternis mit dem Angriff auf meine Person bezweckten. Eines war jedoch sicher, der geheimnisvolle Schwarze Tod plante eine große Sache.
Ich zog Hose, Rollkragenpullover und Jacke über. Anschließend schlüpfte ich in die Slipper.
Mir fiel Suko ein. Mein chinesischer Kampfgefährte hatte sich nicht gemeldet. Er hatte einen unerhört leichten Schlaf und hätte den Krach der zersplitternden Scheibe hören müssen.
Suko besaß einen Schlüssel zu meiner Wohnung wie ich zu seiner. Ich nahm den Zweitschlüssel und lief auf den Flur, der verlassen vor mir lag. Die halbrunden Lampen an der Decke spendeten trübes Licht.
Mit zitternden Fingern schob ich den Schlüssel ins Schloss, drehte ihn herum. Ich stürmte in die Wohnung.
»Suko?«
Keine Antwort. Alles war ruhig. Ich machte Licht, wandte mich nach links, dem Schlafzimmer zu. Ich stieß die Tür auf. Ein Druck auf den Lichtschalter. Es wurde hell.
Tief sog ich den Atem ein. Ich sah den Schrank, den Spiegel an der Wand – und das Bett. Es war leer. Von Suko fehlte jede Spur.
Hinter mir ein Geräusch. Ich wirbelte herum, riss die Beretta aus dem Hosenbund und ließ die Waffe gleich wieder sinken. Vor mir stand Suko. Aber wie sah er aus!
Erschöpft, die Kleidung zerfetzt, das Gesicht geschwollen. Die Haut schillerte grün und blau. Ich sah blutige Stellen an seinem Körper und bemerkte, dass Suko Mühe hatte, Luft zu holen.
»Mein Gott, was ist geschehen?«
Suko wankte. Er biss die Zähne aufeinander, hielt sich am Türrahmen fest. Ich stützte ihn. »Rede. Was war los?«
Sukos Atem pfiff. »Gib mir erst einen Schluck Wasser.« Seine Stimme war kaum zu verstehen.
Ich führte den Chinesen in den Livingroom. Dort ließ sich Suko in einen Korbsessel fallen. Das einzige Möbelstück, das nicht
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