Der Wolkenpavillon
PROLOG
Der Schmerz fuhr der Frau in die Brust wie die Klinge eines Dolchs und riss sie aus der Bewusstlosigkeit. Grauer Dunst wirbelte vor ihren Augen, als würde sie zu einem Himmel aufschauen, über den ein Sturmwind bleiche Nebelfetzen und graue Wolken peitschte. Übelkeit ließ die Frau würgen, aber schlimmer noch waren die Angst und das Entsetzen.
Wo bin ich? Wie bin ich hierhergekommen?
Irgendetwas berührte sie am Oberschenkel. Sie schnappte nach Luft, als sie erkannte, dass es Finger waren, die sie streichelten. Die Hände, kalt und feucht vom Nebel, bewegten sich weiter, strichen über die Hüften der Frau und liebkosten sie zwischen den Beinen. Aus den bleigrauen Wolken ertönten die keuchenden Atemstöße eines heftig erregten Mannes.
Die Angst der Frau verwandelte sich in nackte Panik.
Wo bin ich?
Die wirbelnden Wolkenschleier verwehrten ihr den Blick auf den Mann, der sich nun an sie drängte, doch sie konnte ihn riechen, denn der Gestank nach Schweiß stieg ihr in die Nase. Sie spürte seine nackte Haut, sein Zittern, seine Begierde. Mit einem Mal wusste sie, warum der Mann die intimsten Stellen ihres Körpers streichelte, und voller Entsetzen wurde ihr klar, was ihr bevorstand.
Die Frau schrie um Hilfe, doch die Wolken verschluckten jeden Laut. Verzweifelt versuchte sie, den Mann von sich herunterzustoßen, doch Arme und Beine gehorchten ihr nicht, und sie spürte ihren Körper nicht mehr. Alles war taub bis auf jene Stellen, die der Mann berührt hatte. Obwohl ihr Herz heftig schlug, spürte sie es kaum. Es war nur noch ein körperloses, von nackter Angst getriebenes Pulsieren in ihrer Brust.
Schwarze Wellen schwappten um sie herum. Obwohl die Frau gnädiges Vergessen herbeisehnte, kämpfte sie instinktiv um ihr Leben. Die Schwärze wogte immer höher und schob sich schließlich vor die Wolken. Schwäche und Erschöpfung erfassten die Frau. Verzweifelt kämpfte sie gegen die drohende Bewusstlosigkeit an.
Dann wurde sie jäh aus ihrer Benommenheit gerissen, als sie spürte, wie der Mann sich auf sie schob, wobei sein Keuchen immer lauter, schneller und abscheulicher wurde. Ein durchdringender Schmerz fuhr ihr zwischen die Beine. Donner hallte.
Dann, urplötzlich, schob sich das Gesicht des Mannes zwischen den schwarzen Wolken hindurch, die sich wie eine ölige Schicht auf seine Züge legten, und er starrte auf die Frau hinunter. In der Wolkenmasse taten sich zwei Löcher auf, die Augen des Mannes, grausam und funkelnd vor Lüsternheit. Dann klaffte ein weiteres Loch in den Wolken, sein Mund. Die wulstigen Lippen waren rot und schimmerten feucht, die Zähne waren scharf und spitz. Sein heißer, übel riechender Atem schlug der Frau entgegen.
Brutal drang der Mann in sie ein. Die Frau bäumte sich auf. Es war ein Schmerz, als würde ihr Inneres in Flammen stehen. Jede seiner Bewegungen war wie ein Dolchstich in ihren Unterleib. Die Wogen aus Schwärze schlugen höher, umhüllten Mann und Frau und rissen sie davon. Die Frau schrie und schrie, bis ihr die Sinne schwanden, der Schmerz verebbte und das Donnern zu einem dumpfen Grollen verhallte, das wie aus weiter Ferne an ihre Ohren drang.
Sie hörte das Rauschen von Regen.
Dann sank sie in einen dunklen, leeren Abgrund.
1.
Fanfaren schmetterten. Kriegstrommeln dröhnten. Zwei Generäle in Lederrüstung und mit Eisenhelm standen sich am Ufer eines kleinen Sees gegenüber, der sich auf dem Gelände des Palasts zu Edo befand. Wie auf ein Kommando wedelten beide Generäle gleichzeitig mit ihren Kriegsfächern und riefen: »Angriff!«
Zwei Reiterheere setzten sich in Bewegung. Die Soldaten trieben ihre Pferde in den See, hielten das Schwert erhoben und die Lanze vorgereckt. An der Spitze des einen Heeres ritt Kammerherr Sano, dessen Männer gellendes Kriegsgeheul ausstießen. Wasser spritzte auf Sanos Rüstung, als er auf die feindlichen Linien zupreschte. Doch als die Pferde sich der Mitte des Sees näherten, wurde das Wasser so tief, dass die Tiere ins Stocken kamen und bald darauf schwimmen mussten. Die geordneten Reihen der Soldaten lösten sich auf. Vom Ufer aus brüllten die Generäle ihren Offizieren zu, die Formationen beizubehalten, doch vergebens. Der See schien zu kochen, als ein ungeordnetes Kampfgetümmel ausbrach.
Die Soldaten hieben wild mit dem Schwert aufeinander ein oder versuchten, den Gegner mit der Lanze aus dem Sattel zu heben. Die Schreie der Männer und das Wiehern der Pferde vermischten sich mit dem Dröhnen und
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