0011 - Der Irre mit der Teufelsgeige
zufriedene Katze. Ich ließ die Scheinwerfer aufleuchten. Die langen Lichtspeere stachen durch das Halbdunkel der Garage.
Da sah ich die Gestalt.
Sie stand etwa drei Schritte vor dem Bentley, etwas seitlich versetzt, trug einen langen Mantel, einen Schlapphut und hatte sich eine Geige gegen den Hals geklemmt. Den Bogen hielt der Geiger in der rechten Hand, hob ihn jetzt an und ließ ihn über die Saiten des Instrumentes gleiten.
Im nächsten Augenblick hörte ich das Spiel. Die Töne schwollen an, schienen von unsichtbaren Händen durch die Garage getragen zu werden und schmerzten in meinen Ohren.
Sekundenlang saß ich wie betäubt. Dann schlug ich auf die Halterung des Gurts, ließ ihn hoch rollen, klinkte die Tür auf und sprang aus dem Wagen.
Der Geiger spielte noch immer. Grell und disharmonisch hörte sich die Musik an. Sie stach in meinen Ohren, durchtoste mein Gehirn.
Unter dem Schlapphut sah ich ein weißes Oval, aber keine Nase. Augen und Mund waren ebenfalls nicht zu erkennen.
Ich wollte mich auf den unheimlichen Geiger stürzen, doch ich schaffte es nur bis zum rechten Kotflügel. Plötzlich hatte ich das Gefühl, von einer Wand gestoppt zu werden. Ich warf in einer hilflosen Bewegung die Arme hoch, brach in die Knie und spürte schmerzhaft den harten Beton an meinen Kniescheiben.
Und noch immer spielte der Geiger. Seine Musik war wilder geworden, noch schrecklicher. Sie schien meinen Schädel sprengen zu wollen. Der Kopf sank mir auf die Brust. Es bereitete mir unendliche Mühe, den rechten Arm zu heben.
Ich musste unbedingt an meine Waffe gelangen.
Meine rechte Hand blieb im Jackettausschnitt hängen. Die Finger waren plötzlich wie gelähmt. Ich brachte die Hand nicht mehr weiter, so sehr ich mich auch anstrengte.
Schweiß lag kalt und wie eine zweite Haut auf meiner Stirn. Keuchend sog ich den Atem ein. Ich ließ die rechte Hand fallen, stützte den Arm auf den kalten Boden. Das Gelenk knickte weg. Flach fiel ich hin. Dicht vor meinen Augen schimmerte eine Öllache.
Mühsam hob ich den Kopf. Diese verdammte Musik machte mich noch halb wahnsinnig. Dann gerieten zwei Schuhspitzen in mein Blickfeld.
Der Geiger kam näher…
Hilflos lag ich auf dem Boden. Er konnte mich zertreten wie einen Wurm. Aber er tat es nicht. Er wechselte sein Spiel. Die schrille, dämonische Melodie wurde überlagert von harmonischen Tönen, die meinen Ohren seltsam gut taten. Es waren Lockungen, regelrechte Lockungen, und ich musste ihnen folgen.
Der Geiger entfernte sich. Er ging zurück, Schritt für Schritt. Ich kroch ihm nach, rutschte über den Boden, wollte nicht, dass die Melodie leiser wurde oder womöglich völlig verklang. Es schien, als hinge an diesem Geigenspiel mein Leben.
Zoll für Zoll kroch ich weiter, quer durch die Öllache. Sie verschmierte mein Jackett. Ein Knopf sprang ab. Aber was waren das für Nebensächlichkeiten gegenüber dem süßen, verträumten und lockenden Geigenspiel.
Ich musste dem dämonischen Spieler einfach folgen. Es gab nur noch diesen brennenden Wunsch in mir. Und wenn er mich in die Hölle lockte…
Der Geiger wandte sich nach links. Schattenhaft sah ich seine Gestalt, blickte wie durch einen Schleier. Er schritt den breiten Gang zwischen den parkenden Wagen hinunter und näherte sich der Auffahrtsrampe.
O wie herrlich lebendig war diese Musik. Sie lullte mich ein, war mir ganz nah…
Aber da hörte ich ein anderes Geräusch. Ein Brummen. Es störte das Spiel, drang in meine Gehirnzellen ein. Ich verfluchte diese fremden Töne, die immer lauter statt leiser wurden.
Etwas kreischte. Reifen…?
Helligkeit! Blendend, grausam. Meine Augen schmerzten. Etwas raste auf mich und den Geiger zu. Ein Ungeheuer – ein Wagen.
Dröhnend hallte ein Hupsignal durch die Garage. Sonnen explodierten vor meinen Augen.
Quietschen, Kreischen – Stille! Vorbei. Aus. Doch ich lebte. Ich hörte meinen Atem und ein dumpfes sattes Geräusch, das entsteht, wenn eine Autotür zugeschlagen wird, Schritte. Dann eine Stimme. Wütend, aber auch erleichtert zugleich. »Sind Sie wahnsinnig? Kriechen hier auf dem Boden herum! Beinahe hätte ich Sie überfahren!«
Ich hob den Blick. Sah eine braune Hose mit scharf gebügelten Falten. Jemand zog mich an der Schulter herum. »Nein, betrunken sind Sie nicht.«
Doch! Ich war betrunken. Trunken von dem Geigenspiel, das immer noch in meinem Kopf nachhallte. Aber wo war der Spieler?
Ich versuchte, mich hochzustemmen. Es gelang mir nur mit Mühe. Ich
Weitere Kostenlose Bücher