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0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen

0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen

Titel: 0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
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Freude. Eine Minute lang starrten alle die unbewegliche Erscheinung an, dann sagte die Stimme des Weißen gedämpft: »Sei willkommen, Bote aus einer anderen Welt. Erlaubst du Fragen?«
    Das komische Ding auf der Tischmitte rührte sich nicht, trotzdem sagte der ›Weiße‹: »Fragt, Freunde!«
    Zwei Minuten lang herrschte Schweigen. Offenbar traute sich niemand richtig. Mein Nachbar zur Linken, ein dicklicher Bursche, atmete schwer.
    Schließlich fragte eine Frau, deren Stimme sich vor Aufregung fast überschlug: »Wo war ich im Jahre achtzehnhundertdreißig? Wer war ich?«
    Ich fand diese Frage höchst albern, und doch bewirkte die Antwort dieses komischen Gebildes mitten auf dem Tisch, daß auch mir ein Schauer über den Rücken lief. Es war weniger die Antwort selber, als die Stimme, die sie gab.
    Diese Stimme war leise und doch durchdringend, völlig tonlos, ohne jede Betonung, und sie schien von dem Ding im Mittelpunkt und gleichzeitig von allen Seiten zu kommen. Es hörte sich geisterhaft im wahrsten Sinne des Wortes an.
    Was diese Stimme aus dem Nichts antwortete, war ein langer Sermon und nicht einmal besonders geistreich. Es fing an mit den Sätzen: »Grüne Felder, weite Wiesen. Ein Bauernhaus, rotes Dach. Pferde, Kühe. Eine Frau kommt heraus, zwei Kinder auf dem Arm. Sie hält Ausschau nach dem Mann, ihrem Mann. Er kommt vom Feld zurück…«
    So ging das weiter. Die geisterhafte Stimme erzählte eine äußerst banale Lebensgeschichte, die als Stoff für einen mittelmäßigen Film hätte dienen können, aber die Leute rings um den Tisch schienen es riesig spannend zu finden.
    Es wurden noch drei oder vier Fragen ähnlichen Charakters gestellt und prompt mit ähnlichen Storys beantwortet. Nach der letzten lief zum erstenmal eine Bewegung durch das Gebilde auf der Tischmitte, und der ›Weiße‹ sprach: »Unser Freund aus der anderen Welt will uns verlassen. Wir danken ihm.«
    »Krischna Parpotoi!« murmelte der Verein, aber mitten in das Gemurmel hinein rief eine helle, überkippende, aufgeregte Mädchenstimme: »Wie geht es Carla Canzer? Grüße Carla Canzer!«
    Durch die Leute ging ein Ruck, aber das Mädchen rief unbeirrt: »Sage ihr, daß ich sie sehen möchte. Sie soll hier erscheinen! Sie soll hier erscheinen!«
    Die Erscheinung auf dem Tisch verschwand ohne Antwort. Ich hatte die Stimme erkannt. Sie gehörte Charlot Canzer, der Tochter der Selbstmörderin.
    ***
    Ich traf Phil am anderen Morgen. Er war inzwischen schon bei drei Gesellschaften gewesen, denen die Selbstmörder angehört hatten und die nicht so exklusiv waren wie die der Krischnaisten.
    Viel Erfolg hatte er nicht gehabt, aber er hatte den Namen des Mannes erfahren, den John Thomper vier Wochen vor seinem Tod seiner Tochter gegenüber gerühmt hatte. Der Mann hieß schlicht Jack Smith, aber er nannte sich der ›Forscher‹, und er wohnte bescheiden zur Miete in einem Haus in der dreiundneunzigsten Straße.
    »Sehen wir ihn uns gleich einmal an«, sagte ich, und wir fuhren hin.
    Mr. Smith entpuppte sich als kleiner schmaler Mann mit grauen Haaren und flinken Mausaugen. Seine Wohnung war vollgestapelt mit Büchern, allem möglichen staubigen Gerät und leeren Flaschen.
    Er verfärbte sich ein wenig, als wir ihm unsere Ausweise zeigten, und seine Augen flitzten von einem zum anderen. Ich sprach von Thomper. Zunächst wollte er sich nicht erinnern, aber dann gab er unter unserem Druck nach. Ja, er habe Mr. Thomper an einem Abend kennengelernt, als er einen Vortrag über das geistige Eindringen in die Vergangenheit gehalten hätte. Er wäre Spezialist auf diesem Gebiet.
    »Wie oft haben Sie Thomper danach noch gesehen?« fragte ich.
    »Ein- oder zweimal.«
    »Wo?«
    »Hier in meiner Wohnung. Ich weihte ihn weiter in meine Methoden ein, die Vielschichtungen der eigenen Seele durch Training zu durchdringen.«
    »Hören Sie auf«, knurrte ich. »Das interessiert mich nicht. Kam er allein oder mit seiner Frau?«
    »Einmal allein, aber beim zweitenmal mit seiner Gattin.«
    »Brachten Sie ihn mit anderen Leuten zusammen?«
    »Nein«, sagte er rasch. Es kam mir gelogen vor.
    »Mr. Thomper äußerte sich sehr lobend über Sie. Warum kam er nur zweimal?«
    Der › Forscher‹ schlug seine Augen nieder. »Ich verlangte für die nächsten Stunden Geld von ihm. Er gab mir einhundert Dollar, aber danach kam er nicht mehr wieder.«
    Das war einleuchtend. John Thomper war sicherlich sehr enttäuscht, als sein neuer Mann den Pferdefuß zeigte, von dem

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