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0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen

0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen

Titel: 0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
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sah auch für Bruchteile von Sekunden sein Gesicht, schmal, verknittert mit einem Ziegenbart.
    Er fiel so prompt um, als hätte ihn ein Schmiedehammer getroffen, aber mit dem anderen hatte ich nicht so viel Glück. Meine Taschenlampe verfehlte ihr Ziel, und er versuchte, mir die erste Kugel zu verpassen.
    Der Knall des Schusses wurde von den vielen Vorhängen fast verschluckt. Ich hechtete in einem langen Satz hinter den Schreibtisch. Er schoß noch einmal, aber dann schaltete er sofort seine Taschenlampe aus. Offensichtlich fürchtete er, daß ich eine Waffe bei mir trüge.
    Sobald ihm aufging, daß ich waffenlos war, würde er eine Festbeleuchtung einschalten und mich so gemütlich erledigen, als wäre ich eine Pappfigur auf einem Schießstand. Ich mußte so schnell wie möglich raus.
    Ich verließ meine Deckung und kroch lautlos in die Richtung, wo sich der Gang zur Hintertür befinden mußte. Ich erreichte den Vorhang und tastete nach dem Spalt. Sicherlich dauerte es nur ein oder zwei Sekunden, bis ich ihn fand, aber mir kam es wie eine Ewigkeit vor. Ich richtete mich zur Hocke auf und wollte verschwinden, als es durch die Luft sauste. Jemand stand hinter dem Vorhang, hatte meine Bemühungen gemerkt, hatte in aller Ruhe ausgeholt und schlug nun mit einem Knüppel nach mir in den Bestreben, mir den Schädel einzuschlagen. Ich konnte mich nur ein wenig nach links werfen, so daß der Schlag nicht den Kopf, sondern nur die rechte Schulter traf. Allerdings war es so heftig, daß es mir sofort den rechten Arm lähmte.
    Der Bursche, der mich getroffen hatte, schrie: »Hierher, Freddy, hierher! Ich habe ihn! Hier ist er!« Wahrscheinlich holte er unterdessen neu aus.
    Mir blieb nicht viel Zeit und keine Wahl. Ich warf mich flach nach vorn durch den halbgeteilten Vorhang hindurch, rammte Kopf und Schulter gegen die Beine des Schlägers, bevor er einen zweiten Hieb austeilen konnte. Er fiel mit einem erschreckten Schrei über mich.
    Ich kümmerte mich nicht weiter um ihn, sondern sprang auf und rannte den Gang entlang. Mein rechter Arm baumelte wie ein durchschossener Flügel.
    Wenn sie auf die Idee gekommen wären, die Tür abzuschließen, bevor sie sich mit mir beschäftigten, dann hätten sie mich, aber so intelligent waren sie nicht gewesen. Ich konnte die Tür aufreißen.
    Als ich im Rahmen stand, faßte mich vom Gang her noch einmal Scheinwerferlicht. Für einen Sekundenbruchteil bot ich wieder ein Ziel. Die Kugel schrammte ein Stück aus der Füllung.
    Dann schlüpfte ich um die Ecke, rannte die Mauer entlang, schwang mich über den Zaun auf das Pflaster der einhundertzweiunddreißigsten Straße und enterte meinen Wagen in der einhundertdreißigsten Straße. Ich startete, legte den Gang ein, alles mit der linken Hand, aber dann wartete ich. Ich wollte wissen, ob sie mir folgten, aber es blieb völlig ruhig.
    Sie verfolgten mich nicht, und ich hörte auch nicht das Sirenengeheul eines alarmierten Streifenwagens.
    Nach zehn Minuten gab ich’s auf. Ich fuhr in meine Wohnung, zog mich mühselig aus, kroch unter die Dusche und legte mich ins Bett.
    ***
    Noch vor dem Frühstück rief ich die Nummer von Charlot Ganzer an, verlangte aber, Ann Thomper zu sprechen.
    »Wie steht’s?« fragte ich.
    »Ganz gut«, antwortete sie. »Sie schläft noch, und es hat sich nichts ereignet.«
    Ich war sehr erleichtert und setzte mich beruhigt zum Frühstück. Phil war schon vor mir im Office gewesen.
    Ich berichtete ihm die Ereignisse der letzten Nacht.
    »Es war ein alter Bekannter, der mir den Schal vom Gesicht reißen wollte«, erzählte ich. »Ich erkannte ihn in dem Sekundenbruchteil, in dem ich ihn niederschlug. Jack Smith, der Spiritistenforscher, auf den Mr. Thomper so große Stücke hielt, bis er dann doch Geld von ihm forderte.«
    »Und die beiden anderen?«
    »Der Zeremonienmeister des Vereins und wahrscheinlich einer der Diener, dem ich den Knüppelschlag verdankte, aber das sagt nichts. Interessanter ist das hier.«
    Ich griff in die Tasche und legte die Goldspirale auf den Tisch, genau zwischen Kaffeekanne und Brötchenkorb.
    »Charlot Canzer erhielt es von einem Mann, den sie den ›Goldenen‹ nennt. Es hat irgend etwas mit dem Tod zu tun, denn die Thompers und Carla Canzer trugen es, als man sie fand.«
    »Der ›Goldene‹?« fragte Phil. »Du sagtest, der Zeremonienmeister trüge ein weißes Gewand und eine weiße Kapuze?« Ich nickte. »Vielleicht zieht er sich zu Privataudienzen um, vielleicht gibt es jemanden, der

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