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0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen

0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen

Titel: 0012 - Ich - und der Mörder ohne Waffen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Delfried Kaufmann
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bereits, aber welchen Weg haben Sie genommen?«
    Sie löste ihren Blick aus der Ferne, starrte den Chef an, sah wieder an ihm vorbei und wiederholte: »Ich bin spazieren…«
    »Wo? Welche Straßen? Welche Plätze?«
    »Ich…«, stammelte sie, schlug plötzlich die Hände vor das Gesicht und schluchzte laut: »Ich weiß nicht. Ich bin spazierengegangen. Lassen Sie mich doch in Frieden!« Es war offensichtlich ein echter Zusammenbruch. Ihre Schultern zuckten, vom Weinen geschüttelt. Mr. High hob den Telefonhörer ab: »Den Arzt«, verlangte er, »schnell!«
    Der Doktor kam nach ein paar Minuten. Charlot hatte sich in dieser Zeit nicht beruhigt, und wir hatten kein Wort mit ihr gesprochen.
    Mit routiniertem Griff bog ihr der Doktor den Kopf zurück, hob ihre Augenlider und fühlte ihren Puls.
    »Soll ich sie gründlich untersuchen?« fragte er.
    Mr. High nickte.
    »Dann schafft sie ins Behandlungszimmer.«
    Phil und ich griffen sie unter die Arme und führten sie in das Zimmer des Doc. Sie ließ es sich gefallen.
    Der Arzt beschäftigte sich eine halbe Stunde mit ihr. Dann kehrte er in den Chefraum, in dem wir warteten, zurück. Charlot war bei ihm. Sie schien sich beruhigt zu haben.
    »Sie ist gesund«, erklärte der Doktor, »nur runter mit den Nerven. Ein paar Wochen Aufenthalt in einem Sanatorium würden ihr guttun. Ich habe es ihr schon vorgeschlagen, aber sie will nicht.«
    »Ich möchte nach Hause«, sagte Charlot kaum hörbar.
    »Glauben Sie nicht, es wäre besser, wenn Sie sich für einige Zeit in ein Krankenhaus legten?« fragte Mr. High.
    Sie schüttelte nur stumm den Kopf.
    »Können wir sie nicht einweisen lassen?« fragte der Chef leise den Arzt.
    Der lachte nur. »Sie ist doch nicht gemeingefährlich, nur ein wenig hysterisch. Außerdem ist sie über einundzwanzig Jahre alt.«
    »Ich will nach Hause«, sagte das Mädchen zum zweitenmal.
    »In Ordnung, Miss Canzer«, entschied Mr. High. »Ich werde Sie von einem Beamten nach Hause bringen lassen. Der Beamte wird sich weiterhin um Sie kümmern. Da ich der Ansicht bin, daß Ihr Leben bedroht ist, habe ich das Recht, Sie überwachen zu lassen. Sie können meinen Leuten den Zutritt zu Ihrer Wohnung verweigern, aber dann werden sie einfach vor Ihrem Haus bleiben. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich der Bewachung nicht entziehen würden.«
    Ihr Kopf schwankte ein wenig. »Es ist mir gleichgültig«, flüsterte sie. »Ich möchte nach Hause. Das ist alles.«
    Mr. High telefonierte nach Stanford, einem unserer jüngsten Beamten. »Sie werden diese Dame, Miss Charlot Canzer, in ihre Wohnung begleiten«, befahl er ihm, als Stanford sich bei ihm meldete. »Sie bleiben in der Wohnung. Miss Canzer hat nichts dagegen. Die Dame steht unter Schutzbewachung. Belästigen Sie sie nach Möglichkeit wenig. Bei ungewöhnlichen Vorgängen telefonieren Sie. Morgen früh lasse ich Sie ablösen.«
    »Klar, Chef«, antwortete Stanford und wandte sich an Charlot. »Kommen Sie, Miss.«
    Sie ließ sich widerstandslos am Arm fassen.
    »Meine Tasche«, sagte sie leise.
    »Trage ich schon«, entgegnete Stanford und nahm die Tasche vom Tisch. Wir sahen ihnen nach, bis sich die Tür hinter ihnen schloß.
    »Ich bin froh, daß wir sie lebendig gefunden haben«, murmelte ich.
    »Ich finde, sie ist reif für einen Psychologen, der ihr den ganzen Unsinn aus dem Schädel treibt«, sagte Phil.
    Ich griff zum Telefon und ließ mich mit dem Apparat von Ann Thomper verbinden.
    »Wir haben Charlot gefunden«, berichtete ich ihr. »Sie wird von einem Beamten in ihre Wohnung zurückgebracht. Wollen Sie uns einen Gefallen tun, Ann? Unser Beamter bleibt in der Wohnung, aber er kann schließlich Charlot nicht auf Schritt und Tritt folgen. Sie als Frau können das besser. Bitte, ziehen Sie für vierzehn Tage zu ihr.«
    Sie zögerte, aber dann sagte sie: »Einverstanden.«
    ***
    Phil kam am Abend dieses Tages nicht mir mir in meine Wohnung. Wir hatten am Nachmittag versucht, noch einmal mit dem ›Forscher‹ zu sprechen, aber wir hatten ihn nicht auftreiben können. Offensichtlich hockte er im Ypsilongebäude und kühlte seine blauen Augen. Vorher hatten wir mit Mr. High eine lange Debatte, ob wir gegen die Krischnaisten-Vereinigung mit polizeilichen Maßnahmen vorgehen sollten, aber wir hatten dann darauf verzichtet. Wir hatten keine Beweise gegen sie in der Hand.
    Ich war noch einmal auf dem Weg nach Hause in die Canzersche Wohnung gegangen. Für Stanford war eine Couch im Rauchzimmer hergerichtet

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