0013 - Geister-Roulett
nicht wahr?«
»Ja, Rebbie.«
»Können wir… sind wir… in der Hölle? Sieht so die Hölle aus, Mutter?«
»Es ist möglich, mein Kind.«
Rebbie begann zu weinen. Sie konnte dieses grausame Schicksal nicht ertragen. Diese Tür, durch die man sie geworfen hatte, stellte sie den Eingang zur Hölle dar?
Plötzlich spürten die beiden Frauen unter ihren Füssen eine kreisende Bewegung. Etwas zog an ihren Schuhen, wurde schneller und steigerte sich zu einem Wirbel.
Rebbie klammerte sich an ihrer Mutter fest. »Was ist das… was ist?«
Sie konnte nicht mehr weitersprechen. Eine nicht sichtbare Kraft riß sie gewaltsam in die Tiefe. Mutter und Tochter hatten keine Chance. Sie konnten nur hoffen – und beten.
Automatisch murmelten ihre Lippen die Worte, die die Kirche sie gelehrt hatte. Und sie fühlten, daß sie nicht allein waren, daß die Gebete ihnen die Kraft gaben den Horror und all das Grausame zu überstehen.
Dann schwebten sie nur noch. Und plötzlich hellte sich vor ihnen die Dunkelheit auf. Es war wie im Kino. Ein helles, weißschimmerndes, rechteckiges Gebilde stand vor ihren Augen. So nah, daß sie das Gefühl hatten es mit der Hand greifen zu können.
Doch die Fläche blieb nicht leer. Figuren tauchten darauf auf. Menschliche Figuren.
Zwei Frauen…
Sie selbst!
»Nein!« Rebbie stieß den Schrei aus. »Mutter, das sind wir. Sieh doch, Mutter…«
Mrs. Jones gab keine Antwort. Auch sie hatte das Grauen gepackt, als sie sah, was mit diesen Figuren geschah.
Sie veränderten sich, wurden älter und jünger.
Bei Mrs. Jones fing es an. Wie im Zeitraffertempo sah sie Stationen ihres Lebens ablaufen. Sah sich als voll erblühte Frau, dann als frisch verheiratet. Ihr Gesicht lächelte. Es spiegelte die Freuden der Hochzeitsnacht wieder. Sogar die alten Kleider trug sie noch. Damals hatte sie das Haar zu einem Knoten gesteckt. Mit geschickten Fingern löste sie ihn. Das haar flatterte jetzt im Wind wie eine Fahne. Die Augen strahlten, der Mund lachte…
Noch eine Station. Mrs. Jones als junges Mädchen. Als Backfisch, wie man damals sagte. Lachend, fröhlich. Bei einem Picknick. Ein junger Mann, verschwommen im Hintergrund. Nur undeutlich war sein Gesicht zu erkennen. Langsam zerfaserten die Konturen.
Das Bild des jungen Mädchens blieb. Es starrte die Frau an, lächelte, streckte den Arm aus.
Es kam immer näher. Die Finger der Hand waren nach innen gebogen, tauchten jetzt dicht vor Mrs. Jones Gesicht auf.
Die alte Frau stöhnte auf, als sie von ihrem eigenen jungendlichen Spiegelbild berührt wurde. Sie spürte in ihrem Innern ein Brennen. Ihre Persönlichkeit wurde ausgelöscht, dafür trat an deren Stelle die des jungen Mädchens. Mrs. Jones hatte ihre Jugend wieder!
Und ihre Tochter?
Rebbie hatte nicht auf ihre Mutter gesehen, sondern ihr war ein anderes Schicksal zugedacht. Die Gegenkräfte formten sich, forderten ihre Jugend und Schönheit.
Rebbie Jones alterte.
Ihre Gesichtshaut verfiel, verlor die Frische und nahm eine andere Farbe an. Grau. Die roten Haare wurden stumpf und blaß. Strähnig hingen sie zu beiden Seiten des Kopfes herab. Die Lippen verloren die Frische, das Kinn sank ein, auch der Körper verlor seine Straffheit und Form.
Rebbie Jones war eine alte Frau geworden!
Gebeugt stand sie da, starrte auf dieses leinwandähnliche Gebilde, das ihr in aller Grausamkeit ihre verlorengegangene Jugend präsentierte.
Der Teufel hatte ein schreckliches Spiel in Gang gesetzt und es bis zum bitteren Ende durchgeführt.
Er weidete sich an dem Entsetzen der Menschen. Das Böse selbst kannte keine Gnade.
Und aus den Tiefen der Dimensionen erscholl ein schauerliches siegessicheres Lachen.
***
Suko hatte sich von mir vor dem Sanatoriumsgrundstück absetzen lassen. Er wartete die erste Verständigungsprobe ab und verstaute dann zufrieden sein Sprechgerät.
Es paßte ihm nicht, daß er nicht mit an der Front war und nur den Rückraum deckte. Deshalb machte er sich auch sofort auf die Suche nach einer günstigen Stelle, von der aus er die Mauer überklettern konnte.
Das Grundstück des Sanatoriums war ziemlich groß. Die Mauer umspannte es als Rechteck. Da der Abend sehr ruhig war, konnte Suko das Rauschen der Brandung gegen die Steilküste hören. Der Wind kam aus Südwest und kämmte das hohe Strandgras, das wie ein dicker Teppich wuchs.
Suko hielt sich immer im Schatten der Mauer, als er das Grundstück umrundete. Die Mauer selbst war aus dicken Steinen errichtet worden, und auf
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