0014 - Der schwarze Henker
wieder machte sie heimliche Annährungsversuche, und ich muß ehrlich gestehen, es fiel mir nicht leicht, standhaft zu bleiben. Denn Glenda hatte eine ganze Menge zu bieten. Als Frau, meine ich.
Wollte sie es nun auf die direkte Tour versuchen?
Daran konnte ich einfach nicht glauben, so wie ihre Stimme geklungen hatte. Das Girl schien Sorgen zu haben.
Seufzend gab ich meine Antwort.
»Okay, Glenda, kommen Sie hoch.«
»Danke, Sir.«
Die Antwort klang erleichtert. Das Madchen mußte wirklich, einiges auf dem Herzen haben.
Mal sehen…
Ich stand in der offenen Tür, als Glenda den Lift verließ. Ihr Lächeln wirkte etwas verkrampft. Ich konnte an den Augen erkennen, daß sie geweint hatte.
Sie gab mir die Hand. »Ich muß mich noch einmal entschuldigen, Mr. Sinclair…«
»Nicht nötig, kommen Sie…«
An mir vorbei betrat sie die Wohnung. Ich schloß die Tür und half meiner Sekretärin aus dem dunkelblauen Trench. Darunter trug sie einen beigen Cashmere-Pullover und einen weich fließenden, fast wadenlangen Rock. Der Pullover umschmeichelte ihre gut gewachsene Oberweite. Glenda hatte wirklich eine prächtige Figur, und sie kokettierte auch damit.
Aber nicht jetzt.
Ich ging mit ihr in den Living-room, bat sie Platz zu nehmen und erkundigte mich, ob sie etwas trinken wolle.
»Einen Orangensaft, bitte.«
Ich lächelte. »Okay.«
Im Spiegel konnte ich Glenda beobachten. Ich selbst schüttete mir auch einen Saft ein. Mit den gefüllten Gläsern ging ich zum Tisch zurück.
Wir prosteten uns zu.
Es war nicht zu übersehen, Glendas Hände zitterten. Das ließ auf eine große Nervosität schließen. Meine Sekretärin mußte sich wirklich in Schwierigkeiten befinden, die sie auch persönlich angingen, sonst hätte sie mich sicherlich in meinem Büro angesprochen.
»Nun mal raus mit der Sprache«, sagte ich. »Womit kann ich Ihnen helfen? Ist das Problem privater Natur, daß Sie nach Dienstschluß zu mir kommen, oder hat es mit meinem Job zu tun?«
»Das letztere.«
»Also ein Fall!«
»Ja.« Glenda senkte den Kopf.
»Erzählen Sie«, munterte ich meine Sekretärin auf. »Sprechen Sie frei von der Leber weg. Es gibt bestimmt eine Lösung.« Ich gab mich optimistisch, wollte Glenda mitreißen.
Doch als sie mich ansah, entdeckte ich die Tränen in ihren Augen. Sie füllten die Höhlen wie Seen. Glenda schneuzte sich die Nase, entschuldigte sich, holte tief Luft und kam zur Sache.
»Es geht um meine Freundin Valerie Paine«, berichtete sie mit stockender Stimme. »Sie ist… ermordet worden.«
Ich runzelte die Stirn. »Ist das nicht ein Fall für die Mordkommission?«
Glenda schüttelte heftig den Kopf »Nein, Mr. Sinclair, Ich will Ihnen alles berichten. Valerie hatte ihre Verlobung gelöst. Es klappte nicht mit dem Mann. Sie fuhr nach Pitlochry, um Urlaub zu machen. Sie wollte einfach vergessen. Der Ort liegt in Schottland, inmitten des Highland. Während ihres Urlaubs ist sie umgebracht worden. Man… man… hat ihr den Kopf…« Glenda konnte kaum weiter sprechen. Ihre Stimme erstickte in Tränen. Die Zungenspitze huschte über die vollen Lippen. Dann kramte sie in ihrer Handtasche herum, holte ein Schneuztuch hervor und gleichzeitig einen Zeitungsausschnitt. »Hier, Mr. Sinclair, lesen Sie.«
Ich nahm den Ausschnitt entgegen. Rasch überflog ich die Zeilen. Der Redakteur hatte die Geschichte vom schwarzen Henker ausgegraben. Diese Bestie in Menschengestalt, die zurückgekommen war, um blutige Rache zu nehmen. Man hatte den Torso des Mädchens gefunden, dicht neben einem offenen Grab. Angeblich war der Henker daraus entstiegen.
Der Bericht war reißerisch aufgemacht. Er las sich fast wie ein Gruselroman, und doch war ich sicher, daß vieles davon stimmte und nicht an den Haaren herbeigezogen war.
Ich legte den Artikel zurück auf den Tisch. Dabei trafen sich Glendas und meine Blicke. Das Girl sah mich fast flehentlich an.
»Was… was halten Sie davon, Mr. Sinclair?«
»Man müßte sich an Ort und Stelle umsehen«, erwiderte ich ausweichend. »Dann wollen Sie hinfahren?« Ihre Stimme klang hoffnungsvoll.
»Vielleicht…«
Glenda schneuzte sich die Nase. »Mr. Sinclair… ich… ich… habe Urlaub genommen. Ich habe es Ihnen noch nicht gesagt. Ich fahre auch nach Pitlochry.«
Zwei Sekunden war ich sprachlos.
»Und was bezwecken Sie damit?« wollte ich wissen.
»Ich will den Tod meiner Freundin rächen!« Die Worte hörten sich aus ihrem Mund seltsam an, doch ich bemerkte die Entschlossenheit
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