0014 - Ich eroberte die Gangsterfestung

hatte.
    Über dieses Entgegenkommen dürfen Sie sich nicht wundern. Die Gangster wissen alle, wieviel es wert ist, einen guten Anwalt hinter sich zu haben. Und es gibt bei uns in den Staaten wie überall in der Welt genug Winkeladvokaten, die für Geld selbst den Teufel verteidigen würden. Kein Gangster wird einem solchen Rechtsanwalt jemals irgendwelche Schwierigkeiten machen. Vielleicht braucht man ihn noch einmal. Nach einer Weile, die wir schweigend herumgesessen hatten, brummte ich:
    »Warum sitzt ihr eigentlich die ganze Nacht hier herum? Habt ihr keinen Strohsack, wo man sich drauflegen und ein bißchen an der Matratze horchen kann?«
    »Geht nicht. Müssen auf den Professor warten«, brummte der mit der Bürstenfrisur.
    Das war Musik für mich.
    »Auf welchen Professor?«
    »Billy, erklär's ihm, wenn er schon mitmachen will.«
    Billy rückte näher zu mir und fing an:
    »Wir haben da nämlich einen tollen Job! Irgendein verrückter Professor braucht für Versuche ein paar Leute. Die organisieren wir ihm genau nach seiner Bestellung. Er zahlt für jeden, den wir ihm bringen, sechstausend Dollar. Wenn wir ihm alle Leute herangeschleppt haben, die er braucht, teilen wir uns den Kies und verduften. Das wird ein feines Geschäft für uns.«
    »Ja«, sagte ich. »Der Elektrische Stuhl ist sicher ‘ne feine Sache, das ist wahr.«
    »Wieso?« fragte Billy fahrig.
    »Weil auf Menschenraub der Elektrische Stuhl steht, ohne Ausnahme, ohne mildernde Umstände, ohne Gnadengesuch — wirklich ein feines Geschäft!«
    »Du unkst, als wenn du so ein verdammter Cop wärst.«
    »Man muß ja nicht gerade bei der Polizei sein, um die Gefahren einer Sache zu sehen.«
    »Was soll denn schiefgehen? Die Autos, in denen wir die Leute holen, klauen wir uns erst. Wenn wir sie zweimal benutzt haben, lassen wir sie wieder irgendwo stehen und holen uns neue. Und wir machen es so schnell, daß sie nicht viel von uns sehen.«
    »Aber vergiß nicht, daß dieser G-man hinter uns her ist«, warf ein anderer ein. »Er soll mächtig was auf dem Kasten haben. Wenn er uns findet, können wir uns freuen.«
    »Welcher G-man denn?« fragte ich harmlos, obgleich mir nicht mehr sehr harmlos war.
    »Dieser Cotton oder wie er heißt.«
    »Woher wißt ihr denn, daß er hinter Euch her ist?«
    »Da, wo wir den ersten fischten, ein Mädchen aus Manhatten, da haben wir einen Mann von uns postiert. Der sollte mal sehen, wie die Cops in so einem Fall Vorgehen. Er hatte sich als Würstchenverkäufer getarnt. Es dauerte nicht lange, da kamen die Eltern von dem Mädchen mit diesem Cotton. Der fragte die Kinder aus, die auf der Straße herumliefen! Als ob die Kinder ihm sagen könnten, wo wir zu finden sind!«
    »Was macht denn der Würstchenverkäufer jetzt?«
    »Der wird schon seine Aufträge haben. Er läßt sich nie hier sehen, damit unter keinen Umständen der Verdacht aufkommen kann, daß er zu uns gehört. So ein Mann, der völlig außerhalb steht, ist wichtig.«
    Donnerwetter, das war tatsächlich nicht schlecht organisiert. Aber wer organisierte das alles? Der Professor selber? Unser nächtlicher Besucher? Wo steckte der überhaupt? Es gab noch so viele Fragen zu klären, bevor man zuschlagen konnte.
    Ich pokerte mit Billy eine Weile. Die anderen sahen erst zu, dann beteiligten sich einige. Die anderen wetteten, wer von uns Spielenden gewinnen würde. Als ich die Burschen so ihre Zeit vertrödeln sah, wußte ich, warum sie Gangster geworden waren: einfach aus Faulheit, aus mangelhafter Lust zu einer vernünftigen Arbeit. Bloß nicht arbeiten müssen, das ist noch heute der Anfang der Verbrecherlaufbahn.
    Als seit meinem Anruf etwa fünfzig Minuten vergangen waren, legte ich meine Spielkarten beiseite und stand auf.
    »Ich gehe hinunter. Der Anwalt kann jede Minute kommen.«
    Billy gab seine Karten einem Kumpan.
    »Spiel für mich weiter! Ich muß mit hinunter.«
    Schade, ich hatte gehofft, ich würde mit Phil einige Worte allein wechseln können. Na, mal sehen, wie der Besuch laufen würde.
    Wir standen keine drei Minuten in der dunklen Diele mit glimmenden Zigaretten, da schlug jemand gegen die Tür. Ich hörte Phils Stimme:
    »Hallo! Hallo, machen Sie auf!«
    Billy holte seinen Schlüssel hervor und schloß auf. Ich zog die Tür zurück.
    Der Anblick, der sich mir bot, wirkte einen ungeheuren Reiz auf mein Zwerchfell aus. Es gelang mir nur mit höchster Mühe, nicht in ein schallendes Gelächter auszubrechen.
    Vor mir stand, im Morgengrauen der schon