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0016 - In den Klauen der Vampire

0016 - In den Klauen der Vampire

Titel: 0016 - In den Klauen der Vampire Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Wiemer
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der Schwenker zu.
    Kitty stürzte den Alkohol hinunter, aber sie schien nicht zu merken, ob sie erstklassigen alten Kognak trank oder billigen Fusel.
    Auch Nicole leerte ihr Glas, ließ sich erschöpft in den Sessel zurückfallen. Sie versuchte, eine Unterhaltung mit Kitty anzufangen, das Mädchen von ihren Sorgen abzulenken – aber alle diesbezüglichen Bemühungen erwiesen sich als fruchtlos.
    Schließlich drückte Nicole mit einem tiefen Atemzug die schwarze Gitane aus, die sie geraucht hatte, und schob ihren Sessel zurück.
    »Ich halte mal ein wenig unten am Strand Ausschau«, sagte sie betont ruhig. »Möchten Sie mitkommen?«
    Auch diesmal schreckte Kitty aus tiefen Gedanken. Ihre Stimme klang tonlos und rauh.
    »Wie bitte? Nein, nein, ich – ich möchte lieber hierbleiben, ich…«
    Nicole zuckte die Achseln.
    Flüchtig überlegte sie, ob es nicht besser sei, bei Bills Freundin zu bleiben, doch schließlich überwog ihre eigene nagende Unruhe. Sie hielt es einfach nicht mehr aus in der Enge des Bungalows. Sie mußte hinaus an die frische Luft – und sie hatte das widersinnige Gefühl, als könne sie der Besatzung der »Rosalie« schon allein dadurch helfen, daß sie das Boot ein wenig früher sah, als es vom Haus aus möglich gewesen wäre.
    »Ich komme gleich zurück«, versprach sie.
    Und als Kitty nicht antwortete, lief sie leichtfüßig zur Tür, verließ den Bungalow und huschte über das abfallende Gelände zu dem breiten fahlweißen Strand hinunter.
    Kitty Silver blieb allein zurück.
    Sie brauchte ein paar Sekunden, bis ihr überhaupt bewußt wurde, daß sie niemand mehr beobachtete. Ihr Blick glitt zur Tür, zu den beiden leeren Kognakgläsern, wieder zur Tür zurück. Mit einem tiefen Atemzug strafften sich ihre Schultern, sie wandte sich ab und huschte erneut zu dem Platz am Fenster, den sie eben erst verlassen hatte.
    Die Sternbilder strahlten noch genauso kalt vom Himmel wie zuvor. Immer noch war das seltsame Licht des Mondes da, immer noch schien die nachtschwarze Wand des Waldes voll dunkler Lockungen. Gierig wie eine Verdurstende nahm Kitty das Bild in sich auf, starrte mit aufgerissenen Augen durch die Scheibe und preßte ihre fiebernde Stirn dagegen.
    Für ein paar Sekunden verharrte sie reglos, dann spannte sich ihre Haltung. Erregung erfaßte sie.
    Das gestaltlose Dunkel des Waldes schien sich zu einem Ruf zu verdichten, zu einem Sog, der sie mitreißen wollte, einer Lockung, der sie nicht widerstehen konnte. Ihr ganzes Wesen drängte, zitterte, sehnte sich nach dem süßen Gift dieser Nacht wie eine Süchtige. Mit einer starren, mechanischen Bewegung wandte sie sich um, ging auf die Tür zu und verließ das Haus, als sei sie eine Marionette, die dem Zug unsichtbarer Fäden gehorchte.
    Sie wandte sich der Landseite zu.
    Sie sah nicht den Strand, sah nicht die Gestalt auf dem Steg, hatte keinen Blick für den weiten leeren Wasserspiegel. Wäre sie in diesem Augenblick nach der »Aloha II«, nach Bill Fleming, Zamorra und den anderen gefragt worden – die Namen hätten keinen Widerhall in ihr gefunden. Ihr Bewußtsein war ausgelöscht, ihr Gehirn wie leer gefegt – und sie nahm nichts mehr wahr außer dem unhörbaren Ruf, der sie erreicht hatte.
    Eilig, mit schlafwandlerischer Sicherheit bewegte sie sich zwischen den schlanken Palmenstämmen und strebte dem Wald zu, der sie aufnahm wie ein schwarzer schützender Mantel…
    ***
    Stimmen drangen durch die Dunkelheit.
    Stimmen, Gelächter, Musik… Am Strand der kleinen Insel flackerte ein Feuer. Junge Leute saßen im Kreis darum herum, sangen zur Gitarre, ließen Weinflaschen kreisen und hielten selbstgefangene Fische an Holzstöcken über die Glut. Sie waren fröhlich und unbekümmert, genossen ihren Urlaub – und sie ahnten nichts von der Gefahr, die sich über ihnen zusammenbraute.
    Zamorra preßte die Lippen zusammen.
    Er stand in der Flicht der »Rosalie«, spähte aus schmalen Augen zu der »Aloha II« hinüber, die in der Dünung schaukelte. Die Fähre hatte beigedreht. Sie konnte die Insel nicht erreichen, auf der die jungen Leute ihr Fest feierten, das Wasser war zu flach für ein Schiff dieser Größe. Aber Zamorra hörte deutlich die Stahlarme des Davits knirschen, hörte das Klatschen, mit dem das abgefierte Boot aufs Wasser schlug, und Sekunden später sah er, wie dunkle Gestalten am Fallreep herunterturnten.
    Dermot Devlin hatte die Motoren abgestellt und ließ die »Rosalie« treiben. Ein Schatten umwölkte seine Stirn.

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