0016 - In den Klauen der Vampire
Verzweifelt versuchte er sich aus dem unbarmherzigen Griff zu befreien, der rasenden Bestie Herr zu werden, und bog weit den Kopf zurück, um den gräßlichen, wie tödliche Fänge zuschnappenden Zähnen zu entgehen.
Zamorra durchquerte das Verlies mit drei langen Sprüngen.
Den bluttriefenden Dolch hielt er jetzt in der Rechten, das Amulett schwang an seinem Handgelenk und versprühte silberne Lichtpfeile. Der Vampir zuckte zusammen wie von einem Stromstoß getroffen. Er ließ Bill los, stieß ihn von sich, wollte herumfahren – doch da war es für eine Abwehr bereits zu spät.
Bis zum Heft bohrte sich die silberne Klinge in den Rücken der Bestie.
Noch einmal hallte der furchtbare Schrei von den Wänden wider – dann brach auch der zweite Untote zusammen. Ein letztes konvulsivisches Zucken durchlief seine Glieder, die Muskeln erschlafften, er streckte sich und blieb reglos und mit ausgebreiteten Armen am Boden liegen.
Zamorra drehte ihn auf den Rücken.
Gebrochene Augen starrten zur Decke. Ein braunhäutiges Gesicht, friedlich, entspannt – fast wie in einem tiefen Schlaf gefangen. Die spitzen Eckzähne hatten sich normalisiert, die Fingernägel waren zusammengeschrumpft, und der Tote glich in nichts mehr der reißenden Bestie, die er noch vor wenigen Sekunden gewesen war.
Bill Fleming fuhr sich mit allen fünf Fingern durchs Haar und starrte fassungslos auf den verwandelten Leichnam.
»Unglaublich«, murmelte er. »Dafür… gibt es keine Erklärung! Wenn ich es nicht mit eigenen Augen gesehen hätte …!«
»Graf Chaldras fehlt noch«, sagte Zamorra ernst. »Er ist der gefährlichste von allen. Wir müssen ihn finden.«
Die anderen stimmten zu.
Auch Dermot Devlin hatte sich inzwischen wieder erholt. An seiner Schläfe gab es eine aufgeschürfte Stelle, und in seinem Gesicht war der finster entschlossene Zug wie eingemeißelt.
Sie durchsuchten den Keller.
Sie taten es einmal, zweimal, dreimal – ohne jedes Ergebnis. Graf Chaldras war verschwunden, und es gab kein Verlies, keine Nische und keinen Winkel, wo er sich hätte verkriechen können.
Zamorra biß sich auf die Lippen.
Seine Stimme klang rauh: »Das gibt es nicht, das ist unmöglich! Er kann den magischen Kreis nicht durchbrochen haben. Er muß hier sein!«
»Vielleicht oben in den Trümmern?« mutmaßte Bill Fleming mit einer Kopfbewegung zur Decke.
Sie beschlossen, auch dort noch einmal nachzusehen.
Inzwischen hatten sich die Trümmer weiter abgekühlt, nur noch an einigen Stellen stiegen dünne Rauchschlieren in den Himmel, nichts stand einer gründlichen Durchsuchung im Wege. Das Ergebnis jedoch war gleich Null. Sie fanden nicht einmal eine Spur von Graf Chaldras – und Zamorra mußte sich allmählich mit dem Gedanken vertraut machen, daß dem Herrscher der Vampire die Flucht geglückt war.
Langsam, sorgfältig schritt der Professor die dünne Linie aus getrocknetem Blut ab.
Und dann, auf der Rückseite des zerstörten Hauses, fand er die mit Sand verwehte Stelle und wußte, auf welche Weise der Graf entkommen war.
Er atmete tief durch.
Das Amulett lag immer noch in seiner Rechten – und es war immer noch eine starke Waffe, auch außerhalb des jetzt sinnlosen magischen Kreises. Nach menschlichem Ermessen mußte der Graf sich noch auf der Insel befinden.
Wenn er nicht irgendwo ein zweites Boot versteckt hatte. Oder wenn er… Zamorra wandte sich um.
Rasch gab er den anderen einen Wink, schlug den Pfad zum Strand ein – und schon nach wenigen Schritten sah er, was er instinktiv befürchtet hatte.
Die »Aloha II« war verschwunden.
Nur noch die »Rosalie« dümpelte auf den Wellen. Nicole stand in der Flicht, Sie winkte heftig, und wie auf ein geheimes Kommando begannen die drei Männer zu laufen.
Nicole sah blaß aus.
Ihre Augen hatten sich verdunkelt, die goldenen Tupfen waren aus dem Irisring wie weggewischt.
»Er ist entkommen!« flüsterte sie. »Er ist mit der ›Aloha II‹ geflohen. Ich konnte es nicht verhindern…«
***
Die »Aloha II« wurde in der Nähe von Kahuku Point vor Oahu gefunden.
Die Fähre trieb auf den Kaiwi-Kanal zu, als Fischer sie entdeckten.
Beide Rettungsbote waren verschwunden, von der Besatzung fehlte jede Spur, und die ganze Geschichte löste in der Bevölkerung Unruhe und eine Menge Rätselraten aus.
Für Zamorra war das Fehlen auch des zweiten Beibootes Beweis genug, daß es Graf Chaldras allen Widrigkeiten zum Trotz geschafft haben mußte, sich an Land zu retten.
Der Professor und
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