0017 - Ich gab ihm eine Chance
habe den Verlauf des Abends nicht mehr bis in jede Kleinigkeit hinein in Erinnerung. Ich weiß nur noch drei Dinge: Allan und Robby kamen ein paarmal zurück ins Wohnzimmer und schleppten große Porzellanteller aus den Schränken heraus. Mr. High, Phil, Nancy und ich blieben den ganzen Abend über im Wohnzimmer. Und das dritte war, daß alle anderen unaufhörlich ins Wohnzimmer kamen, ein paar Minuten blieben und dann in einzelnen Gruppen von zwei oder drei Mann wieder abzogen. Manche wollten sich den Prunkpalast einmal genau ansehen. Einer meinte natürlich im Scherz, es könnte ja sein, daß der Onkel im Garten einen Schatz vergraben hätte, und daraufhin rannten fünf oder sechs in den Garten und zählten die Stachelbeersträucher oder was weiß ich, was sie sonst, draußen machten. Wieder andere konnten es nicht ab warten und stiebitzten sich in der Küche vorzeitig etwas von den großen Platten, die Allan und Hobby für den ganzen Haufen fertig machten.
Während des ganzen Trubels hatte Phil in einer Ecke einen Zehnplattenspieler entdeckt.
Ich unterhielt mich eine ganze Zeitlang mit Mr. High, während ich mir hin und wieder etwas aus den Flaschen genehmigte, die auf allen Tischen herumstanden.
Kein Mensch dachte an etwas Böses, als Bruce Pay plötzlich kreidebleich ins Wohnzimmer kam. Kalter Schweiß stand ihm auf der Stirn.
»Was ist denn los, Bruce!« rief ich durch den Lärm.
Die anderen verstummten allmählich und blickten zu ihm hin. Er fuhr sich mit einer fahrigen Bewegung um den Hals, riß dann den obersten Hemdknopf auf, zog die Krawatte locker und sagte tonlos: »Allan ist tot. Allan ist tot. Allan Chester ist tot.«
***
Totenstille!
Ich hörte deutlich das Ticken einer Standuhr von einer Kommode am anderen Ende des großen Raumes. Jemand ließ eine Zigarettenspitze fallen. Sie klirrte gegen ein Glas. Der Lärm schnitt grell durch die tiefe Stille.
Mr. High stand auf und sagte: »Keiner geht aus dem Zimmer. Ben, machen Sie die Fenster zu. Bruce Pay, kommen Sie her und sagen Sie es noch einmal.«
Bruce kam quer durch den langen Raum. Die anderen wichen beiseite. Er stellte sich vor Mr. High hin und sagte mit zusammengekniffenen Augenbrauen: »Es ist wahr, Chef! Allan Chester ist tot!«
»Aber wie ist denn das möglich? Er war doch eben noch…« Mr. High brach ab. Er fühlte wohl selbst, wie unsinnig das war, dieses eben noch. »Wo ist er?« fragte er hastig.
»Ich habe ihn draußen auf der Veranda gefunden. Ich wollte mir auch mal das Haus ansehen und kam durch die Diele in ein kleines Zimmer, das so eine Art Bibliothek darstellt. Ich schaltete das Licht ein und sah mir die Bücher in den Regalen an. Dabei kam ich zur Fensterseite. Zwischen zwei großen Fenstern ist eine hohe Glastür. Ich wollte sehen, wo es hingeht, und machte sie auf. Ich kam auf die Veranda. Weil es anfing zu regnen, wollte ich wieder zurück in die Bibliothek. Da sah ich am Ende der Veranda, dort wo sie um die Hausecke biegt, etwas liegen. Es sah aus wie ein - ausgestreckter Arm. Zuerst dachte ich, ich hätte schon zuviel getrunken. Ich kniff die Augen zusammen und sah noch einmal hin. Dann ging ich hin. Es war Allan. Er liegt halb auf der Seite. Genau am Herzen ist die Wunde.«
»Bruce, haben Sie ihn berührt?«
»Nein, natürlich nicht.«
Mr. High ging nachdenklich zwei, drei Schritte auf und ab. Gerade als er etwas sagen wollte, kam Robby zur Wohnzimmertür herein. Er schwitzte von den beiden schweren Aufschnittplatten, die er auf den Fingerspitzen balancierte.
»Da, ausgehungerte Bande!« rief er fröhlich. »Es kommt gleich noch mehr! Stürzt euch drauf. Wenn die Teller übrigbleiben, will ich zufrieden sein.«
Er setzte sie vorsichtig ab. Dann fühlte er das Schweigen. Nur der Zehnplattenspieler dudelte immer noch. Robby richtete sich vom Tisch auf, wo er sich gebückt hatte, um die Platten abzustellen, sah sich verwundert um.
Er fragte schließlich: »Nanu, was ist denn mit euch los?« Er stellte ein paar benutzte Gläser auf ein Tablett und kam damit näher an die Ecke, wo Mr. High und Bruce Pay standen. »Ist etwas passiert? Kann ich jemand helfen?« Bruce platzte damit heraus wie mit einem Pistolenschuß.
»Allan ist tot. Auf der Veranda. Ermordet.«
Robbys Gesicht zog sich zuerst zusammen, dann schien er das Gesagte völlig verstanden zu haben. Ein Flattern ging in seine Hände, und plötzlich rutschte ihm das Tablett aus den Händen. Mit häßlichem Klirren zerbrachen die Gläser.
»Das ist doch
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