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0018 - Die Hexenschwestern

0018 - Die Hexenschwestern

Titel: 0018 - Die Hexenschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieter Saupe
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befühlte ihn. Er hämmerte sich wie wild an die Schläfen. Dumpf und wie unwirklich spürte er den Schmerz von den eigenen Schlägen. Er riß den Mund auf und wollte schreien. Aber noch immer versagte ihm die Stimme.
    In dieser Sekunde hörte er den anderen Schrei.
    ***
    Der Leutnant wandte sich um. Der grelle Schrei war vom anderen Ende des Familienfriedhofs gekommen. Und schon gellte ein zweiter Schrei durch die Luft. Der Leutnant erkannte die Stimme sofort.
    Trotz der Verzerrung, die in ihr war.
    Es war die Stimme seines Sohnes!
    Aber dann mußte der junge Achmud ja noch leben!
    Zehn Sekunden später wußte der Polizeileutnant Bescheid. Entsetzlichen Bescheid. Er startete blitzschnell, als der zweite Schrei verklungen war.
    Er lief über den Rasen. Er achtete nicht darauf, daß er über Gräber lief und über Grabsteine stolperte, die der wolkenbruchartige Regen aus dem Erdreich gerissen und umgelegt hatte. Er lief und lief. Er hetzte den schmalen Weg entlang.
    Und dann stockte ihm der Atem.
    Etwa zehn Meter vor sich sah er seinen Sohn auf einer Bank sitzen.
    Es war eine gespenstische Erscheinung, vollkommen durchnäßt, mit weit geöffneten Augen wie die eines Wahnsinnigen.
    Der bleiche Totenmantel klebte dem jungen Haddur am Leib wie eine zweite Haut. Aber dies war nicht das Schrecklichste an dem Anblick.
    Die Erscheinung, die dem Leutnant fast das Blut in den Adern gerinnen ließ, stand neben dem toten oder auch lebendigen Sohn. Es war eine Frau in Hexengestalt. Ihr Haar leuchtete rötlich in der Dämmerung. Die Hexe trug ein langes wallendes Gewand aus weißer Seide. Ihre Augen blitzten vor Lust und Mordgier, ihre Zähne bleckten wie die Hauer eines Urtiers. Sie war gräßlich anzusehen.
    Von ihren Händen, die lange Nägel hatten, scharf wie die Krallen einer Raubkatze, tropfte in dicken Tropfen das Blut.
    Das Blut des jungen Haddur!
    »Steh, wo du stehst, Haddur!« schrie die Hexe auf. »Mich dürstet nach dem Blut deines Sohnes! Ich werde es trinken, bis kein Tropfen mehr in ihm ist. Sieh her, wie ich mich labe an ihm, du räudiger Sohn eines räudigen Sultans!«
    Dem Leutnant verschlug es die Sprache. Wieder fragte er sich, ob nicht ein Spukbild ihn heimsuchte. Aber das war nicht der Fall. Sein Sohn und die blutgierige Hexe da vor ihm waren so echt, so wahr und lebendig wie er selbst.
    Wie der Donner, der unheimlich über der Stadt grollte, echt wie die Feuer der zuckenden Blitze, die den schwarzen Abendhimmel für Sekunden in gleißendes Rot tauchten.
    Achmud Haddur verlor keine Sekunde. Er stürzte auf das blutgierige Weib zu. Versuchte sie zu packen. Er wollte die Seele seines Sohnes retten. Um jeden Preis.
    Eine unsichtbare Mauer hielt ihn von der Hexe fern. Ihm war, als breche ein Sturmwind über ihn herein, als werde er von einer Riesenfaust zurückgeschleudert. Als er versuchte, die Hexe am Handgelenk zu packen und von dem jungen Achmud fortzuzerren, erhielt er einen mächtigen Schlag vor die Brust. Stöhnend sank er zu Boden und blieb liegen. Er wußte später nicht mehr, wie lange er auf dem naßkalten Boden zugebracht hatte…
    Er sah die starre Gestalt des Sohnes vor sich auf der Bank. Sah, wie die Hände der Hexe über dessen Schultern gingen. Dann fuhren sie am Hals entlang. Und plötzlich rissen sie den leinenen Totenmantel mit einem Ruck auseinander. Sie rissen, zogen und zerrten, bis das Totengewand in zwei Teilen von dem schlaffen Körper herabhing.
    Dann stürzte sich das Weib auf die Leiche des jungen Mannes oder auf den lebenden jungen Mann? Der Sohn des Leutnants hatte geschrien. Also konnte er nicht tot sein.
    Nein, der junge Achmud lebte! Sein Vater sah es mit Grausen. Er beobachtete, wie die Hände der Hexe über die Schultern fuhren. Der zum Leben erweckte Leichnam saß immer noch steif und starr auf der Bank. Er war wie hypnotisiert. Keine Bewegung war zu erkennen, kein Laut entrang sich seiner Brust.
    Da setzte die Hexe ihre blutigen Krallen an den Schultern an. Der Leutnant versuchte aufzustehen. Es gelang ihm nicht. Die übermenschlichen Kräfte, die überirdische Macht des Hexenweibs waren zu stark.
    Jeder Versuch einer Bewegung wurde im Keim erstickt. Noch bevor der Leutnant in die Hocke kommen konnte, legten sich zwei unsichtbare Hände auf seinen Brustkorb und warfen ihn auf den Rasen zurück.
    Jetzt sah er, wie die spitzen, scharfen Krallen der Hexe in die rechte Schulter ihres Opfers eindrangen. Im Nu färbten sich der weiße Totenmantel, die Brust des Opfers und die

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