0019 - Ich - und der große Ausbruch
flogen die Gittertüren zurück.
»Zugeteilte für Schlosserei, raustreten auf den Gang! Auf rücken! Abzählen. Nummer 3765, machen Sie gefälligst die Zigarette aus. Sie wissen doch, daß auf dem Gang nicht geraucht werden darf. — Achtung! Rechts um! Marsch!«
Während einer der Aufseher die Schlossereileute in leidlicher Zucht aus ihren Zellen herauszubringen bemüht war, standen die anderen für diese Gruppe eingeteilten Wärter gemeinsam mit dem ständigen Wachpersonal an beiden Gangenden. Erst wenn der letzte der Gruppe die Treppe betreten hatte, schlossen sie sich an, und erst wenn alle, Gefangene und Wärter, den Gefängnistrakt verlassen hatten, öffneten die Hauswärter die Zellen der Gefangenen, die für die Schneiderei oder eine der anderen Gruppen zugeteilt waren. Auf diese Art wurde erreicht, daß nie mehr als etwa einhundert Gefangene sich außerhalb ihrer Zellen befanden.
Im Block II, dem Mittepunkt der Anlage, vom Gefängnis getrennt durch eine massive Wand und mit ihm nur verbunden durch einen Durchgang in Höhe der ersten Etage, residiert die Gefängnisverwaltung. Dort wohnte der damalige Herr über die Gefangenenstadt, der Direktor Swen T. Stolman, ein Mann, durchdrungen von den modernen Gedanken der Gefangenenbesserung durch Psychologie.
Ihm gegenüber, getrennt durch den Flur, hauste Tolmer Pauls, Captain und oberster Chef des Bewachungspersonals ein harter, schnurrbärtiger Vierziger. Nach der Verwaltungsordnung war Stolman der Vorgesetzte Pauls’, aber in Wahrheit fürchtete sich der Direktor vor dem Captain, denn Pauls war von einem besessenen Ehrgeiz und träumte davon, selbst Direktor zu werden. Um die Wahrheit zu sagen: Er sabotierte Stolmans Anordnungen, wo er konnte, und von des Direktors psychologischer Milde gelangte über den Weg des Captains nur sehr wenig in unverfälschter Form, bis zu den Gefangenen.
Während die Schneiderei, die Schlosserei und alle anderen Werkstätten ausschließlich von Gefangenen betrieben wurden, dienten sie in den Verwaltungsgebäuden nur als Hilfskräfte. Es galt als Vergünstigung, in den Büros arbeiten zu dürfen, und Captain Pauls hatte keine Bedenken, hierfür Leute auszusuchen, die ihm aufgrund ihrer beruflichen Vorbildung besonders geeignet erschienen. So wurden in den Büros vornehmlich Scheckfälscher, Konkursschwindler und Männer ähnlichen Genres beschäftigt, was allerdings nicht ausschloß, daß mit der Zeit auch einige Gefangene hier hereingerieten, die in der Freiheit besser mit dem Colt oder der Brechstange umgehen konnten als mit der Feder. Es lag daran, daß Scheckfälschung nicht annähernd so hart bestraft wird wie bewaffneter Einbruch und daß Captain Pauls keine Lust hatte, sich dauernd an neue Gesichter zu gewöhnen. Er befahl daher in letzter Zeit häufiger Leute ins Büro, die längere Strafen abzusitzen hatten.
***
Ich habe Ihnen die Verhältnisse und die Atmosphäre im State Jail nicht grundlos so eingehend geschildert. Nur aus ihr sind die Ereignisse dieses Novembertages erklärbar. Echte Milde oder gerechte Strenge werden Strafgefangene selten dazu verführen, das zu unternehmen, was die Insassen der Pension Ewigkeit unternahmen. Aber die unsichere Behandlung, dieses Gemisch von unechter Güte und ungerechter Strenge, das aus dem ständigen Kampf zwischen dem Direktor und Captain Pauls entstand und das die Gefangenen täglich in jeder Kleinigkeit zu spüren bekamen, an dem sie aber auch die Unsicherheit der Verwaltung ablasen, das erst brachte sie auf die Idee, jene Aktion zu starten, die einen so überraschenden Verlauf nahm und die uns Männern vom FBI später soviel Arbeit machte.
***
Der Strafgefangene Hank Pospery, Listennummer 8341, verurteilt wegen Beteiligung an einem Einbruch im Wiederholungsfall zu einer Strafe von acht Jahren, davon abgebüßt drei Jahre und ein paar Monate, war seit drei Wochen in jener Abteilung der Verwaltung beschäftigt, die die Listen über die Abrechnung mit den Firmen führte, für die die Gefängniswerkstätten arbeiteten.
Hank war ein untersetzter, schwarzhaariger Bursche, der viel lachte, schnell begriff und bei Angestellten, Beamten und Mitgefangenen im gleichen Maße beliebt war. Da er es verstand, Schreibmaschine zu schreiben, was er irgendwann einmal, gewissermaßen aus Versehen, gelernt hatte, stellte er die Rechnungen des Gefängnisses über geleistete Arbeiten aus. Er riß dabei viele Witze und behauptete, der Staat verdiene eine Menge an den Gefangenen. Das sei auch
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