0020 - Venus in Gefahr
sich zu wundern begann, wie lang dieses Tal wohl sein möge, wurde er aus der Finsternis abgestürzter Felsen heraus angerufen.
Der Anruf war russisch. Aber Tomisenkow hatte so lange schon keine menschliche Stimme mehr gehört, daß er sogar über seine eigene Muttersprache erschrak. Mit der Reaktionsschnelligkeit, die er sich auf dem Dschungelmarsch angewöhnt hatte, ließ er sich vornüberfallen und preßte sich in die Deckung einer Felsspalte.
„Tomisenkow!" rief er zurück. „Wer ist dort?" Aus den Felsen heraus kam meckerndes Gelächter. „Das mußt du einem anderen erzählen! Tomisenkow ist tot!" Voller Zorn sprang Tomisenkow wieder auf.
„Sieh her, du Narr!" schrie er. „Bin ich Tomisenkow oder nicht?"
Der Posten ließ sich nicht beirren.
„Laß die Waffe fallen, dann will ich mir dich ansehen!"
Tomisenkow gehorchte.
„Gut, ich komme jetzt."
Der Mann kam aus seinem Versteck hervor, die Maschinenpistole in der Armbeuge. Zwei Meter vor Tomisenkow blieb er stehen. Tomisenkows weißes Haar irritierte ihn und der Bart, der ihm in der Zwischenzeit gewachsen war. Außerdem hatte der General keine Gelegenheit gehabt oder keinen Wert darauf gelegt, sich zu waschen. Jeder Teil seiner Haut war unter einer zentimeterdicken Schmutzkruste verborgen.
Aber der Posten erkannte ihn trotzdem.
„Der General ...!" staunte er fassungslos. „Tatsächlich!"
Der Posten wandte sich um und deutete mit der Hand weiter ins Tal hinein.
„Dort hinten irgendwo steht die C-103. Sie ist das letzte Schiff, das wir haben!"
Tomisenkow erschrak, daß er eine Zeitlang keinen Ton zuwege brachte.
„Nein, das ist nicht ganz richtig", verbesserte sich der Posten. „Wir haben wohl noch ein paar andere, aber die liegen entweder flach auf der Nase, oder ihre Treibstofftanks sind ausgelaufen, oder der Reaktor ist durchgebrannt, oder weiß der Teufel was noch alles. Die C-103 ist auf jeden Fall die letzte, die noch fliegen kann."
Tomisenkow hatte sich während seines Marsches nicht allzu viele Illusionen gemacht, aber das hier übertraf seine schlimmsten Befürchtungen. Er brauchte eine Weile, bis er den Schock überwunden hatte. „Führ mich zu den Leuten!" befahl er dem Posten.
5.
Rhodan war systematisch und schnell vorgegangen. Der Angriff auf die C-145 war ein Einzelfall geblieben. Fortan hatte Rhodan seine Männer an verschiedenen Stellen gleichzeitig arbeiten lassen und ihnen befohlen, keinerlei Risiko mehr einzugehen. Sie benutzten die Deflektor-Einrichtung der Transportanzüge und näherten sich den feindlichen Raumschiffen als Unsichtbare. Sie plazierten Sprengkörper, deren Energie ausreichte, um ein Schiff umzuwerfen, unter die Heckflossen, schossen den Treibstofftank leck, so, daß der kostbare flüssige Wasserstoff in Sekundenschnelle verdunstete, oder beschädigten die Triebwerksreaktoren derart, daß sie niemals mehr gebraucht werden konnten.
Bei all diesen Aktionen gab es so gut wie keine Zwischenfälle. Gegen Mittag besaß der Feind nur noch drei Schiffe, die Rhodan sich für den Rückweg übriggelassen hatte. Um hundertfünfundzwanzig Uhr waren davon zwei vernichtet, und Rhodan schickte sich an, das letzte, die C-103, mit etwas größerer Sorgfalt anzugreifen, denn von den rund fünftausend Mann, die sich im Gebirge versteckt hatten, lebten mehr als zweitausend in dem Versteck, in dem die C-103 stand.
Das hatte einen verhältnismäßig einleuchtenden Grund. Weitaus der größte Teil der Überlebenden hatte bei der Evakuierung des ersten Lagers auf jegliche Bequemlichkeit verzichten und durch den Dschungel marschieren müssen.
Als die Marschtruppe das Gebirge erreichte, fanden sie als erstes Schiff die C-103, die am weitesten östlich gelandet war. Da die Leute aber nicht die Absicht hatten, den bisher marschierten zweihundert Kilometern noch ein paar mehr hinzuzufügen, um das Versteck irgendeines anderen Schiffes zu erreichen, waren die meisten von ihnen bei der C-103 geblieben. Nur ein paar überaus Beherzte und zudem nur ganz leicht Verwundete waren weitermarschiert und waren bei einem der anderen Schiffe untergekommen.
Die zweitausendzweihundert Mann, die General Tomisenkow im C-103-Lager vorfand, rechneten damit, daß Rhodan als nächstes die C-103 angreifen werde.
Tomisenkow übersah mit einem Blick, daß er hier alles auf eine Karte setzen müsse und fing an, den Empfang für Rhodan vorzubereiten. Inzwischen hatte er erfahren, daß nur mit wenigen der von Rhodan angegriffenen Verstecke noch
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