0022 - Die Hexe von Java
unverbindlich ansehen«, meinte Maddock. Irgendwie war es ihm unangenehm, diese kriechenden Nebelschwaden anzusehen. Er war ein mutiger Mann, der selbst in ein von Haien verseuchtes Wasser sprang, um einen Menschen zu retten. Marty Maddock spürte instinktiv, daß ihnen von dieser Nebelschliere Gefahr drohte.
Er konnte niemandem erklären, wieso er das fühlte.
Dennoch war es für ihn beinahe eine fest gefügte Tatsache. Ihm wurde schlecht, wenn er den Nebel ansah. So etwas war ihm noch nie passiert.
»Eigenartig«, murmelte Maddock.
»Was ist eigenartig?« wollte Davis wissen.
»Der Wind bläst nach Süden – und dieser seltsame Nebel bewegt sich genau in die entgegengesetzte Richtung.«
Wade C. Davis nickte mit düsterer Miene. »Das ist mir auch schon aufgefallen.«
»Ob das was zu bedeuten hat?«
Davis hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung, Marty.«
Joseph Roane tauchte als erster und hängte sich an ein Gewicht, das vom Begleitboot geschleppt wurde. Auf diese Weise konnte er sich in aller Ruhe unter der Oberfläche durchs Wasser ziehen lassen.
Zunächst konzentrierte sich die Suche der Forscher auf die geschützte, kahle Innenseite des Riffs, bei dem sie angelangt waren. Die Koralle wächst hier nur, wenn sie eine geeignete Unterlage findet – ein gesunkenes Schiff zum Beispiel.
Der Meeresgrund auf der unter dem Wind liegenden Südseite unterschied sich sehr deutlich von dem Boden der luvwärts gelegenen Ostseite. Leewärts war das Wasser tiefer, denn das Saumriff fiel hier dreißig bis vierzig Meter senkrecht ab.
Die Forscher stießen hier überall auf goldgelbe Akroporen. Joseph Roane entdeckte einige sandige Stellen mit toten Korallenstöcken, aber ansonsten gab es alle Lebensformen, die für Korallengewässer charakteristisch sind: Riesenmuscheln, Seefedern, Röhrenwürmer und viele andere festsitzende Tiere.
Nach einer Weile tauchte Roane auf und fuchtelte mit den Armen. »Ich glaube, ich habe etwas entdeckt!« rief er, kletterte an Bord, holte eine Hacke und tauchte sofort wieder unter. Wade C. Davis und Marty Maddock vergaßen den seltsamen Nebel.
Sie traten an die Reling, vom Entdeckerfieber gepackt. Von hier oben glaubten sie, drei größere Korallen und Schuttberge erkennen zu können.
Spuren eines vor langer Zeit gesunkenen Schiffes?
Keiner wollte diese Vermutung aussprechen, aber alle hofften es.
Roane tauchte inzwischen mit kräftigen Flossenschlägen dem Meeresgrund entgegen. Er sah nicht, was sich in diesem Augenblick auf der Wasseroberfläche abspielte.
Der magische Nebel schien ein Loch in die Meeresoberfläche zu wühlen. Und da hinein versank er.
Marty Maddock hob unwillkürlich den Kopf. Sofort erinnerte er sich an den rätselhaften Nebel. Als er bemerkte, daß die Schlieren nicht mehr vorhanden waren, atmete er erleichtert auf.
Dazu war jedoch kein Grund.
Aber wie hätte Maddock das wissen sollen.
Der unheimliche Nebel nahm im Wasser die Form einer langen, dicken Riesenschlange an. Ihre Augen schienen glühende Kohlen zu sein. Im Maul standen zwei lange, dolchartige Zähne. Mit fließenden Bewegungen peitschte sich das dämonische Tier, dessen Existenz von jedem vernunftbetonten Menschen als Hirngespinst hätte abgetan werden müssen, durch das glasklare Wasser.
Immer schneller schoß es auf den Taucher zu.
Roane hatte noch immer keine Ahnung, in was für einer schrecklichen Gefahr er sich befand.
Da kam Taris Geist. Ihr unbändiger, gefährlicher Wille, dem man sich nicht widersetzen durfte. Wer es doch tat, der mußte dies mit seinem Leben bezahlen.
Maddock sah etwas durch das Wasser zischen.
Er machte Davis darauf aufmerksam, aber es war kaum mehr als ein vager Strich zu erkennen, dessen Richtung auf Joseph Roane wies. Die Höllenschlange hatte sich nach oben hin gut getarnt.
Roane schwamm auf einen der Korallenhügel zu.
Die Schlange war bereits bis auf wenige Meter an ihn herangekommen. Plötzlich vernahm er ein unerklärliches Zischen, das in seinem Kopf zu entstehen schien. Er hörte es so deutlich, daß er sich erschrocken umschaute.
Und da raste das Untier mit weit aufgerissenem Maul auf ihn zu.
Roanes Hand zuckte zum Tauchermesser. Er riß es aus der Gummischeide. Die Teufelsschlange erreichte ihn. Er war vor Schreck wie gelähmt, aber seine Reflexe arbeiteten. Wild stieß er mit dem Messer zu.
Er sah, wie die Klinge in den Schlangenleib drang. Eine dunkelblaue Flüssigkeit färbte das Wasser, so als hätte ein Tintenfisch sein Schutzsekret
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