0023 - Die Geistervögel
gebracht?«
»Ja.«
»Und was soll das?«
»Wenn Sie und Ihr komischer Freund nicht innerhalb einer Stunde von hier verschwinden, ergeht es Ihnen wie den Krähen. Dann sind Sie tot.«
»Und Sie ein Mörder.«
»Was macht das schon!«
Ich setzte mich vorsichtig auf einen Stuhl. Die Waffe folgte jeder Bewegung. »Sie scheinen mehr über die Vorgänge zu wissen, als wir hier alle zusammen«, vermutete ich.
Er nickte heftig.
»Berichten Sie. Ich bin neugierig.«
»Eure Zeit ist vorbei. Die Vögel werden hier wieder die Herrschaft übernehmen. Endlich ist es soweit. Und jeder, der sich ihnen in den Weg stellt, wird ausradiert.«
»Ihr Vater steht auch nicht auf Ihrer Seite«, gab ich zu bedenken. »Ihre Mutter und Ihr Bruder ebenfalls nicht. Wollen Sie die Familie ausrotten?«
»Nein. Ich werde meine Verwandten schon bekehren. Und George hat seine Warnung bekommen. Die Gefahr sind Sie, Sinclair. Sie und Ihr Partner.«
»Glauben Sie wirklich, daß wir freiwillig gehen?«
Er lachte. »Es wird Ihnen wohl nichts anderes übrig bleiben.«
Ich nickte. »Okay, nehmen wir mal an, wir verschwinden tatsächlich. Was geschieht dann?«
Seine Augen leuchteten plötzlich auf. »Dann kommen die Vögel, und die Menschen werden ihnen dienen und Opfer bringen. Wir in uralten Zeiten. Er hat es mir gesagt.«
»Der Vogelmensch?«
Mike Kilrain schien aus einem Traum zu erwachen. »Darauf gebe ich Ihnen keine Antwort. Ich habe gesagt, was gesagt werden mußte. Jetzt sind Sie an der Reihe. In Ihren Händen liegt es, ob die Menschen hier getötet werden oder nicht.«
Mike Kilrain bewegte sich auf die Tür zu. In der rechten Hand hielt er die Schrotflinte, mit der linken suchte er nach der Klinke. Dabei achtete er für einen winzigen Augenblick nicht auf mich.
Ich katapultierte mich aus dem Stuhl, flog flach über den Boden. Kilrain fuhr mit einem Schrei herum, wollte auf mich anlegen, da säbelte ich ihm das Standbein weg.
Der junge Mann fiel nach hinten.
Ich griff zu und riß ihm noch im Fallen die Schrotflinte aus den Händen. Schwungvoll warf ich sie aufs Bett. Zu den toten Krähen.
Dann schlug ich zu.
Ein paarmal klatschte meine flache Hand in sein Gesicht. Links und rechts. Rechts und links.
Er wurde durchgeschüttelt. Aber verdammt, das hatte er verdient.
»So, mein Junge, und jetzt verschwinde!« fuhr ich ihn an.
»Nimm die Krähen und mach dich aus dem Staub, ehe ich es mir anders überlege.«
Er starrte mich an. Sein Gesicht war knallrot. Die Wangen wurden dicker. In seinen Augen funkelte der Haß. Unter Umständen machte ich einen Fehler, ihn laufenzulassen, aber einsperren konnte ich ihn nicht. Nicht in seinem Elternhaus.
Mike Kilrain drehte sich aus meinem Griff. Er nahm die toten Krähen behutsam auf und schritt zur Tür.
Ich öffnete sie ihm.
Auf dem Gang drehte er sich kurz um. »Wir sprechen uns noch, Sinclair!« zischte er. »Darauf können Sie Gift nehmen…«
***
Prüfend musterten die grünen Augen den bunten langen Rock.
»Er ist ja phantastisch«, sagte Kathy O’Neill, »oder was meinst du, George?«
George Kilrain hob die Schultern. »Mich darfst du nicht danach fragen. Ich habe keine Ahnung.«
Kathy verdrehte in komischer Verzweiflung die Augen. »Aber du hast doch bestimmt eine Meinung.«
Die Verkäuferin hatte eine. »Ich finde den Rock auch hinreißend, Miß. Ich selbst habe einen in der gleichen Art. Es macht mir jedesmal Spaß, ihn wieder anzuziehen.«
Das glaubst du doch wohl selbst nicht, was du da gesagt hast, dachte George Kilrain. Gute Verkaufstaktik, aber bei mir würde sie damit nicht landen.
Dafür bei Kathy. Sie nickte. »Okay, ich nehme den Rock, auch wenn er meinem lieben Freund nicht gefällt…«
»Davon hat keiner was gesagt. Ich meine nur…« George sprach nicht mehr weiter, da Kathy zusammen mit der Verkäuferin bereits in Richtung Kasse ging.
George wartete draußen auf Kathy. Dort war die Luft auch besser. In dem Geschäft mit der niedrigen Decke ging man fast ein. Boutique, nannte sich der Laden. Vorher war ein Fleischergeschäft in dem Ladenlokal gewesen.
George rauchte eine Zigarette. Er befand sich in der Altstadt von Cork. Enge Straßen, schmale Häuser, dazwischen ein Stück Himmel, dann der Turm einer Kirche, der alles überragte.
Kathy verließ den Laden. An der rechten Hand trug sie die Einkaufstüte. Das junge Mädchen hakte sich bei George unter.
»Und jetzt gehen wir ein Eis essen.«
»Ist es nicht schon zu spät? Denk an die Rückfahrt.
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