0027 - Wir fingen den roten Delphin
Abend, was?«
Er wurde plötzlich ernst. Ich fühlte mich offengestanden nicht ganz wohl in seiner Gesellschaft, aber er hatte nun mal ein Feuerzeug, von dem unser Stubenmädchen sagte, Rosalee habe es ihm gegeben.
»Guten Abend, Mister!« erwiderte er meinen Gruß. »Sie wollen etwas von mir?«
Holla! Für einen geistig Behinderten wußte er aber verdammt schnell, was ich wollte. Ich grinste und sagte: »Ganz ehrlich: ja! Ich möchte mir gern mal dieses schöne Feuerzeug ansehen.«
Seine Miene wurde feindselig. Mit überraschender Fingerfertigkeit ließ er das Feuerzeug in seinem Anzug verschwinden, so schnell, daß ich nicht einmal sehen konnte, in welche Tasche er es verfrachtete.
»Warum?« zischte er böse. »Warum wollen Sie Bill das Feuerzeug wegnehmen?«
»Ich wollte es mir nur einmal ansehen. Sehen Sie, ich bin ein Freund von Miß Martens. Sie wissen doch, das Mädchen, das man ermordet hat. Ich möchte herausfinden, wer der Mörder war. Und nun hörte ich, daß Miß Martens Ihnen das Feuerzeug gegeben habe. Da möchte ich es mir natürlich gern mal ansehen.« Sein Gesicht erhellte sich schlagartig. Ich wurde nicht klug aus ihm. War er nun wirklich blöde, oder stellte er sich nur so an? Diese Frage überstieg meine Kenntnisse, und wahrscheinlich konnte sie nur ein Psychiater beantworten.
»Sie sind ein Freund von Miß Martens?« wiederholte er freundlich. »Ich bin auch ein Freund von Miß Martens! Ein guter Freund!«
Er sah mich drohend an, als ob ich seine Behauptung zu bezweifeln wagte. Ich versicherte ihm schnell, daß ich es ihm glaube. Sofort wurde er wieder freundlich.
»Miß Martens war eine sehr liebe Frau«, fuhr er fort mit dem Ausdruck eines Kindes, das von einer netten Tante spricht. »Wenn ich herausfinde, wer Miß Martens getötet hat, erwürge ich ihn mit meinen Händen!«
Er ballte die Fäuste und hielt sie mir unter die Nase. »Mit diesen Händen will ich ihn erwürgen!« wiederholte er.
»Ja, ja«, sagte ich. »Man müßte nur erst einmal wissen, wer es war, nicht?«
»Ich erwürge ihn«, wiederholte er eigensinnig. Dann griff er plötzlich in eine Tasche und brachte das Feuerzeug zum Vorschein. »Da! Sie können es nehmen, Mister. Weil Sie ein Freund von Miß Martens sind. Aber nur, wenn Sie wirklich ein Freund von Miß Martens sind. Ist es wahr? Sind Sie ein Freund von Miß Martens?«
Ich hielt seinem Blick stand und nickte stumm. Da drückte er mir das Feuerzeug in die Hand, streichelte noch einmal scheu darüber, als sei es irgend etwas Lebendiges, von dem er sich verabschieden müsse, sprang dann auf und war blitzschnell in der Dunkelheit verschwunden.
Ich sah ihm einen Augenblick lang nach, bevor ich das Feuerzeug so hielt, daß das Mondlicht darauf fiel.
Es hatte ein Monogramm. In einem kunstvoll stilisierten Gewirr von Ranken und Ornamenten standen zwei Buchstaben eingraviert: »R. J.«.
Ich schnalzte mit der Zunge. R. J. -bedeutete das etwa Randy Jewis? Wenn ja, wie kam der Theaterbesitzer dazu, Rosalee sein Feuerzeug zu schenken? Denn er mußte es ihr ja gegeben haben, bevor sie es an diesen Studeway weitergeben konnte.
Aber woher wollte unser Bun-Girl überhaupt wissen, daß Rosalee dem angeblich Geistesschwachen das Feuerzeug gegeben hatte? Konnte er es nicht bei ihr mitgenommen haben? Vielleicht - als er sie ermordete? Und sah er jetzt eine Möglichkeit, den Verdacht auf Jewis zu lenken? Wenn der Theaterbesitzer ein reines Gewissen hatte, konnte er unumwunden zugeben, daß er Rosalee McCormick, die er als Rosalee Martens kannte, das Feuerzeug gegeben- hatte. War sein Gewissen nicht rein, dann würde er es vermutlich abstreiten.
Okay, dachte ich. Machen wir die Probe aufs Exempel!
Ich wußte, wo der Bungalow lag, den Randy Jewis mit seiner Privatsekretärin bewohnte. Dafür hatten wir uns ja in den ersten Stunden nach unserer Ankunft gründlich genug umgesehen.
An den Haustüren der Bungalows befanden sich blank geputzte Messingknöpfe, die einen elektrischen Summton erzeugten, wenn man sie niederdrückte. Dieser Ton war eigentlich eine Tonfolge. Sie klang wie ein Rundfunkpausenzeichen. Mr. Eden hielt das vielleicht für sinnig.
Ich drückte auf den Knopf an der Tür zu Jewis’ Bungalow und wartete.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich endlich schlurfende Schritte vernahm. Der Lebemann Randy Jewis machte die Tür auf und sah mich fragend an.
Ich sagte: »Guten Abend.«
»’n Abend. Na, junger Mann, was führt Sie zu mir? Wollen Sie mir etwa
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