0035 - Im Land der Götter
sind!"
„Damit deine Diener die Schätze inzwischen verstecken?" höhnte Honbled.
Aber Vethussar fuhr ihm in die Parade.
„Laß ein paar von deinen Leuten hier. Sie können sich vor dem Haus und in den Gängen aufstellen, dann bist du sicher, daß nichts versteckt wird."
Aus der Menge hinter Honbled erhoben sich zustimmende Rufe. Honbled selbst war an einer weiteren Verzögerung nicht interessiert. Aber er wußte, daß Szoltan hinter dem Haus auf der Lauer lag und entschloß sich, Vethussars Verlangen nachzugeben.
Mit qualmenden Fackeln zog die Menge, die von Minute zu Minute anschwoll, die Straße hinunter bis zum Haupttempel.
„Macht das Tor auf!" schrie Honbled von weitem, und die beiden Wächter, die in der Tempelhalle zurückgeblieben waren, öffneten gehorsam das hohe Tor.
„Ihr mit den Fackeln, stellt euch an den Wänden auf, damit wir Licht haben!"
Die Leute marschierten an den Wänden entlang und blieben in gleichmäßigen Abständen voneinander stehen. Gelbe, qualmende Helligkeit erfüllte die große Halle.
„Jetzt", verkündete Honbled mit mächtiger Stimme, „werde ich euch zeigen, welche Altäre dieser Missetäter ihrer Götterbilder beraubt hat. Seht dort ..."
Er stutzte. Auf dem Altar des Meeresgottes fehlte nichts; dabei hatte er seinen beiden Leuten diesen Altar wegen seines besonders kostbaren Bildes als ersten zu leeren befohlen. „... oder dort!" fuhr er fort.
Aber auch der goldene Fischgott saß an seinem Platz - schuppenhäutig und mit glitzernden grünen Edelsteinen als Augen.
„Oder dort!" äffte Vethussar nach, wobei er seine Fackel schwang. „Oder dort ... oder dort!" Hornbleds mechanisches Inneres registrierte und klassifizierte die neue Lage und veranlaßte den äußeren Körper, die typisch menschliche Reaktion darauf zu zeigen: Entsetzen, Furcht und Verwunderung.
„Wo sind die gestohlenen Bilder?" schrie Vethussar. „Was soll ich gestohlen haben? Alles ist hier! Sag mir, was wolltest du in meinem Haus finden?"
Hornbleds Kombinatorik arbeitete fieberhaft. Sie übersah alle Möglichkeiten, die es gab, auch die, daß Vethussar von dem Attentat rechtzeitig Wind bekommen und die Bilder wieder zurückgebracht habe. Aber der logische Sektor weigerte sich, diese Erkenntnis in Wortimpulse zu fassen und den Sprechwerkzeugen zuzuleiten, weil niemand mehr bereit war, dem Priester auch nur ein einziges Wort zu glauben.
Vethussars Reden jedoch feuerten die Leute an. Die ohne Fackeln schlössen sich dichter um den Alten und den Priester zusammen, die anderen kamen von den Wänden her und beleuchteten die Szene.
„Er hat gelogen", rief Vethussar, „um mich berauben zu können. Gelogen, er, der Priester!"
„Der Oberpriester!" raste die Menge.
Und dann war es um Honbled geschehen. Die Menge stürzte sich auf ihn. Zwar war a-G-25 eine kräftige Maschine, und es gelang ihr, sich der ersten Angreifer mühelos zu erwehren. Aber die Meute zählte inzwischen weit mehr als tausend Köpfe, und Honbled blieb schließlich nichts mehr anderes übrig, als den Agenten-Notruf auszustoßen und sich alles Weitere wehrlos gefallen zu lassen. Tritte und Schläge brachten sein Inneres durcheinander und machten ihn bewegungslos. Seine letzte Reaktion war, die Augen zu schließen.
Eine Weile später hielt man ihn für bewußtlos oder tot und ließ von ihm ab. Hornbleds dicker Wanst hatte verhindert, daß der eigentliche Robotkörper aus Metallplastik zum Vorschein kam. Den Bürgern von Saluntad blieb der metaphysische Schock erspart.
Vethussar hatte sich längst aus der Menge gelöst und war zu seinem Haus zurückgekehrt. Mit Hilfe der Nachrichten, die er brachte, und der Unterstützung seiner Diener jagte er Hornbleds Knechte aus dem Haus und aus dem Garten. Als diese Arbeit getan war, kehrte er in sein Privatgemach zurück, ließ einen Diener ein paar Kienspäne entzünden und beobachtete gespannt die Wasseruhr, die geruhsam die Stunden anzeigte.
Sie war vier Stunden vor Mitternacht umgefüllt worden, jetzt stand die Wasseroberfläche bei der sechsten Stundenlinie. Als sie die Linie überschritt, drangen unten aus dem Hafen herauf drei dröhnende Kanonenschüsse. Vethussar lächelte befriedigt, stand auf und löschte die Späne. Während er zu Bett ging, dachte er: Fafer ist ein zuverlässiger Mann.
*
Die einzige Schwierigkeit auf dem Weg zum Hafen machten die beiden Zugtiere. Marshall hatte sich nur in aller Eile erklären lassen können, wie sie zu lenken waren, und es
Weitere Kostenlose Bücher