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004 - Das Wachsfigurenkabinett

004 - Das Wachsfigurenkabinett

Titel: 004 - Das Wachsfigurenkabinett Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dämonenkiller
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vielleicht was mit! Raus mit dir!«
    »Und nun, meine Herrschaften«, hörte sie Henrys Stimme, »kommt die süße Miriam.«
    Das Mädchen schob den Vorhang zur Seite und trat auf die Bühne.
    Das Publikum reagierte wie immer äußerst gelangweilt. Miriam versuchte ein Lächeln, doch es wurde nur ein bitteres Grinsen daraus.
    Der Scheinwerfer wechselte von Grün auf Blau. Sie fixierte einen Punkt über der Bar, um den Leuten nicht ins Gesicht sehen zu müssen. Ihr Mund war noch immer zu einem Lächeln verzogen.
    »Zieh dich aus, Puppe!« grölte Henry, der hinter der Bar stand, wie immer anzüglich.
    Miriam öffnete ihr knallrotes Kleid und bewegte sich dabei aufreizend. Diese Nummer führte sie seit einem halben Jahr vor; jeder Schritt, jede Bewegung, alles war Routine. Sie schlüpfte aus dem Kleid. Der Scheinwerfer wechselte alle zehn Sekunden die Farbe, doch dann erwachte der Lichtstrahl auf einmal zum Leben und griff nach ihr. Als sie aus dem Lichtkegel heraustreten wollte, folgte er ihr selbständig, in welche Richtung sie sich auch bewegte. Nein, bitte nicht! dachte sie. Nicht schon wieder! Sie schloß die Augen, doch nichts änderte sich. Der Lichtstrahl packte sie und wollte sie hochziehen. Sie kämpfte dagegen an. Schweiß perlte auf ihrer Stirn.
    »Das ist mal was Neues«, hörte sie eine brutal klingende Stimme.
    »Schau mal, wie sich die Puppe bewegt!«
    Plötzlich kam sogar so etwas wie Stimmung auf. Henry, der hinter der Bar stand, sah das Mädchen fasziniert an. Die zieht ja eine richtig neue Nummer ab, dachte er. Als würde sie sich gegen etwas wehren. Wie sie sich windet! Gar nicht schlecht.
    Unsichtbare Arme griffen nach dem Mädchen. »Nein«, schrie es und schlug um sich. »Nicht!«
    Das Publikum sah gebannt zu, wie Miriam sich gegen den unsichtbaren Feind zur Wehr setzte. Ein Träger ihres Büstenhalters war verrutscht, und die Brustspitze lugte hervor. Sie ging und tanzte wie in Trance und versuchte verzweifelt, dem Scheinwerfer zu entkommen. Der rote Vorhang, der die Bühne abschloß, begann sich zu bewegen. Seltsame Gestalten erschienen darauf, Fratzen, die nach ihr schnappten, Mäuler, die spitze Zähne entblößten, die immer länger und furchtbarer wurden. Miriam keuchte und wand sich – und plötzlich war der Spuk wieder vorbei. Ihr Körper war schweißgebadet. Für Sekunden stand sie regungslos mitten auf der Bühne, dann setzte sie ihr Programm fort. Ihre Hände zitterten, als sie den Büstenhalter löste, sich dem Publikum zuwandte und die Hände von ihren nackten Brüsten nahm. Sie zog ihre Nummer blitzschnell ab und raste hinter die Bühne. Schwer atmend blieb sie stehen.
    »Das war gar nicht schlecht«, sagte Max grinsend. »So ist deine Nummer viel besser. Das kannst du von jetzt an jedes Mal so durchziehen!«
    Sie nickte schwach und ging in die Garderobe. Dort setzte sie sich und legte den Kopf auf den Schminktisch. Es war ihr ein Rätsel, was dort draußen wirklich geschehen war. Ich muß zu einem Arzt gehen, sagte sie sich. Ich werde sonst noch wahnsinnig. Überall sah sie seltsame Dinge, Gegenstände verwandelten sich, in jeder Ecke lauerten Schatten, die nur darauf warteten, sie zu verschlingen. Sie schlüpfte in ihr Kleid und stand auf. Ihr Blick fiel in den Spiegel, und sie erstarrte. Dann trat sie einen Schritt näher. Der Spiegel warf ihr Bild nicht zurück – als sei sie unsichtbar geworden. Sie erblickte ihr Kleid, den Ring, den sie an der linken Hand trug, doch ihr Gesicht und die Hände waren nicht zu sehen. Ich bin verrückt, sagte sie sich. Das kann es einfach nicht geben. Sie trat noch näher heran und preßte beide Hände gegen die Scheibe. Der Anblick änderte sich nicht. Sie warf kein Spiegelbild.
    Und dann spürte sie den Sog, der sie in den Spiegel zerren wollte.
    Ihre Hände verschwanden in der glatten Fläche, Eiseskälte umfing sie. Sie ließ sich rückwärts zu Boden fallen und stand dann keuchend wieder auf. Ihre Hände waren blaugefroren und völlig steif.
    Der Sog war noch immer zu spüren. Ein eisiger Lufthauch ging von der Scheibe aus und griff nach ihr. Miriam sprang auf und rannte hinaus. Sie ließ ihren Mantel, das Kopftuch und den kleinen Koffer liegen; sie wollte nur rasch aus dem Lokal. Wie eine Irre raste sie durch den Saal. Ein eisiger Windhauch blies in ihren Nacken und trieb sie unerbittlich vorwärts. Schweiß rann über ihr Gesicht. Sie raste an der Kasse vorbei und auf die Straße. Ein junger Mann sah sie erstaunt an, denn ihr Kleid stand

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