004 - Das Wachsfigurenkabinett
zum grauhaarigen Vampir zurück. Dieser hatte das kurze Gespräch mit angehört und nickte jetzt. Er stand noch immer mit dem Rücken zum offenen Fenster. Hunter kam einige Schritte näher.
»Bleiben Sie stehen!«
Dorian folgte augenblicklich. Chapman schlug die Augen auf. Die linke Hand des Vampirs umklammerte seinen Kopf. Wenn er wollte, würde er ihn mühelos töten können.
Jetzt betrat Shorter das Zimmer. »Zu spät. Die anderen Blutsauger sind bereits tot.«
Der grauhaarige Vampir stieß einen Wutschrei aus und trat einen Schritt vor. »Das werden Sie büßen!« schrie er.
Hunter grinste. »Das glaube ich nicht. Sie haben keine Chance.«
»Das werden wir sehen!« keuchte der Grauhaarige. »Das werden wir sehen!«
Er achtete nicht auf das Fenster hinter sich, in dessen Rahmen jetzt Murrays Gesicht auftauchte. Hinter ihm standen zwei weitere Agenten. Sie handelten augenblicklich, brachten ihre Waffen in Anschlag, und drei Bolzen drangen dem Vampir in den Rücken. Dorian sprang auf den tödlich getroffenen Blutsauger zu und entriß ihm Donald Chapman. Der Zwerg fiel zu Boden, landete auf Händen und Füßen und rollte sich zur Seite. Der grauhaarige Vampir richtete sich noch einmal auf. Seine Hände verkrallten sich in seiner Brust.
Ein Zucken ging durch seinen ganzen Körper. Seine Augen traten aus den Höhlen und wurden glutrot, dann brach er zusammen.
Chapman und Dorian verfolgten, wie eine erschreckende Veränderung mit ihm vor sich ging. Seine Haut wurde faltig und verschwand. Das Fleisch und die Muskeln waren nur für Sekunden zu sehen. Die Luft flimmerte, dann löste sich der Körper endgültig auf.
Nur ein winziges Aschehäufchen blieb von dem Blutsauger zurück.
Dorian hatte eine solche Verwandlung schon einige Male gesehen, doch sie beeindruckte ihn immer wieder. Sie war der sicherste Beweis, daß man es mit einem Vampir zu tun gehabt hatte. Innerhalb einer halben Minute zerfiel der Körper zu Staub.
»Bringt ihre Kleider ins Haus!« sagte er jetzt. »Wir nehmen sie mit.
Und kehrt die Asche zusammen, die von den Monstern übriggeblieben ist.«
Nachdem alle Spuren der Vampire beseitigt waren, fuhren die Agenten zurück zur Jugendstilvilla in der Baring Road, in der die Inquisitionsabteilung nach dem Tod von Lord Hayward ihr Domizil aufgeschlagen hatte. Dorian Hunter hatte man zusätzlich als Vormund für Phillip, den Hermaphroditen, eingesetzt.
Im vordersten Wagen befanden sich Dorian Hunter und Chapman. Eine Weile herrschte Schweigen, dann sagte Don: »Die Vampire sprachen von einem Schatten. Sie hatten Angst vor ihm. Um ihn auszuschalten, hat einer von ihnen eine Catania-Beschwörung vorgeschlagen. Weißt du, was das ist, Dorian?«
Der Dämonenkiller schüttelte den Kopf. »Vielleicht kann uns Coco weiterhelfen. Als ehemaliges Mitglied der Schwarzen Familie weiß sie über viele Dinge Bescheid, von denen wir keine Ahnung haben.«
»Die Vampire behaupteten weiter, daß sie die einzigen seien, die noch nicht unter dem Bann des Schattens stünden. Wer oder was ist dieser Schatten?«
»Keine Ahnung«, sagte Dorian.
Vor der Villa hielt er an und stieg aus. Chapman folgte ihm. Nach Haywards Tod hatte Dorian einige Gärtner bestellt, die damit begonnen hatten, den verwahrlosten Garten des Grundstücks in Ordnung zu bringen. In den vergangenen Tagen war das Laub entfernt worden, doch wirkte der Garten noch immer verwildert. Auch die Villa selbst befand sich in einem schlechten Zustand. An vielen Stellen war der Verputz abgeblättert, und die Ziegel darunter sahen wie blutrote Wunden aus. Früher war die Villa ein imposanter Jugendstilbau gewesen, jetzt machte sie einen eher trostlosen Eindruck. Sie wirkte wie ein Überbleibsel aus einer längst vergangenen Zeit.
Nachdem Dorian und Chapman eingetreten waren, begab sich der Dämonenkiller gleich ins Obergeschoß. Er war sicher, daß sich Coco bei Phillip aufhalten würde. In der zweiten Etage öffnete er eine Tür nahe der Treppe – und blieb überrascht stehen.
»Was hat denn das zu bedeuten?« fragte er und trat näher.
Die Wände des Zimmers waren von Farbklecksen übersät. Inmitten des Chaos hockte Phillip, der Hermaphrodit, und rührte mit einem geschwärzten Pinsel in einer Farbdose herum. Ihm gegenüber stand Coco und schaute dem Treiben ratlos zu. Sie trug ein tief ausgeschnittenes rotes Minikleid, das ihre Figur betonte und viel von ihren makellosen langen Beinen sehen ließ.
Als sie Dorians fragenden Blick bemerkte, zuckte sie
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