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004 - Kerry kauft London

004 - Kerry kauft London

Titel: 004 - Kerry kauft London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Wallace
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kurz zur Antwort: »Das wird genau eine halbe Sekunde in Anspruch nehmen.«
    Ihr Weg war ihr klar vorgezeichnet. Die Firma wollte sie zu einer Lüge verpflichten. Sie hatte Gilletts Botschaft nicht ernst genommen. Es war ihr nicht einmal die einfache Tatsache zum Bewußtsein gekommen, daß der grauhaarige Fremde in der Untergrundbahn der große Kerry war, dem Milliarden zur Verfügung standen. Ihr drehte sich der Kopf - sie war von all dem Neuartigen wie berauscht, und nur ihr natürlicher, gesunder Sinn ließ sie nicht den Boden unter den Füßen verlieren.
    Leete betrachtete sie genauer und wunderte sich, daß sie ihm noch nicht aufgefallen war. Sie war ein schönes Mädchen; selbst die reizlose Arbeitskleidung, die die Firma Tack & Brighten ihren jungen Mädchen vorschrieb, konnte ihre Schönheit nicht beeinträchtigen. So dachte Herr Leete, ein erfahrener Kenner, und strich nachdenklich seinen borstigen, graumelierten Schnurrbart.
    Sie wandte sich halb zur Tür.
    »Sie brauchen mich wohl nicht mehr?«
    »Denken Sie daran!« Leete drohte ihr mit dem Finger.
    »Verleumdung bedeutet Gefängnis.«
    »Ich bin heute morgen nicht zum Lachen aufgelegt, aber Sie reizen mich furchtbar dazu«, sagte Else Marion, und die Tür fiel hinter ihr ins Schloß, ehe Herr Leete Zeit fand zu fluchen.
    Else ging zum Umkleideraum und war im Nu von einer Schar bewundernder Verkäuferinnen umringt; das ganze Haus wußte bereits, daß Fräulein Marion Herrn Tack › auf den Fuß getreten ‹ hatte und noch da war, um die Geschichte zu erzählen.
    Sie unterdrückte eine menschlich natürliche Regung, ihren Kolleginnen zu verraten, daß sie zum Lunch im Sa-voy eingeladen sei, und eilte aus dem Haus, ehe sie ihr großes Geheimnis ausgeplaudert hatte.
    Herr Kerry wartete in der Eingangshalle des Hotels. Es schien ihr, als ob alle Augen in dem großen Vestibül auf ihn gerichtet seien, und sie ging in dieser Annahme auch wohl nicht fehl, denn ein Milliardär ist immerhin schon etwas Außergewöhnliches, aber ein Milliardär, der um ein Haar den Mörderhänden eines alten › Freundes ‹ entgangen ist und dessen Name daher in allen Abendzeitungen steht, ist etwas ganz Wunderbares.
    Während der Mahlzeit unterhielten sie sich über mancherlei. Er war außerordentlich belesen und hatte eine Vorliebe für persische Dichter. Langsam verzehrten sie den köstlichsten Lunch, den Else seit den üppigen Tagen Tante Marthas je zu sich genommen hatte. Er veranlaßte sie, ihm von jener Verwandten zu erzählen.
    »Eine prächtige Frau«, nannte er sie begeistert. »Ich liebe Menschen, die all ihr Geld ausgeben.«
    Sie schüttelte lachend den Kopf.
    »Das ist sicherlich nicht Ihre Überzeugung, Herr Kerry«, wandte sie ein.
    »Doch - doch«, entgegnete er eifrig, »ich will Ihnen mein Gleichnis von der Geldwirtschaft erzählen. Geld ist Wasser. Das Meer ist der Reichtum der Völker, es verdunstet, steigt zum Himmel und fällt wieder auf die Erde nieder. Für einige von uns Menschen fließt es in tiefen Kanälen, und wenn wir uns darauf verstehen, können wir es für unseren Gebrauch stauen. Die einen von uns stauen es tief, die anderen flach, wieder bei anderen sickert es weg, wird aufgesogen und erscheint wieder im Stau eines anderen.«
    Sie nickte. Es war ein neues Bild, und der Gedanke gefiel ihr.
    »Läßt man das Wasser ruhig stehen«, fuhr er, eifrig wie ein Junge beim Spiel, fort, »so ist es nutzlos. Man muß es ablaufen lassen, doch darauf achten, daß immer etwas im Reservoir bleibt. Der Abfluß darf nie schneller als der Zufluß sein. Ich habe ein gewaltiges Stauwerk - es liegt hoch oben in den Bergen -, ein gewaltiges Becken, das sich ununterbrochen füllt, das ununterbrochen abläuft. Weiter unten am Berge fangen Hunderte von Leuten mein Überlaufwasser auf, noch weiter unten andere in kleineren Stauwerken, und so fort, bis es ins Meer fließt, wie es einmal geschehen muß - in den großen Ozean des Weltreichtums, der alles aufnimmt und alles zurückgibt.«
    Sie sah bewundernd zu dem Mann auf, der um ein Haar dem Tode entronnen war und so völlig in seiner Philosophie des Reichtums aufging, daß er ganz vergessen hatte, wie nahe er der Pforte der Ewigkeit gewesen war.
    Er fand schnell wieder zur Erde zurück, griff in die Brusttasche und zog ein kleines dickes Buch mit abgegriffenem Lederdeckel hervor, legte es mit einer gewissen Zärtlichkeit auf den Tisch und schlug es auf. Das Buch war offenbar seit vielen Jahren im Gebrauch. Einige Seiten

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