0043 - Die Geister-Lady
deinem Pfeiler und spuckst Gift und Galle! Ich kann dich direkt vor mir sehen!«
Schritte.
Micha Plotkin wandte sich um. Seine zweite Frau kam gelaufen, eine Stola um die zarten Schultern.
»Sag, was machst du hier draußen, Micha? Ist dir nicht gut?«
»Ich bin in Ordnung, mein Täubchen«, sagte der Fürst, und er legte seinen Arm grinsend um seine besorgte Frau.
»Vorhin war mir, als hörte ich dich mit jemandem sprechen.«
»Kann schon sein, dass ich mit jemandem gesprochen habe«, sagte Plotkin augenzwinkernd.
»Mit wem? Es ist niemand hier.«
»Ich habe mit diesem Torpfeiler geredet.«
»Du bist verrückt, Micha. Komm ins Haus, sonst erkältest du dich noch. Außerdem möchten unsere Gäste den Hausherrn wieder sehen.«
Plotkin hakte sich schmunzelnd bei seiner Frau unter. Sie merkte nicht, dass er sich umwandte und dem Pfeiler triumphierend zublinzelte.
Er irrte sich. Zwei Nächte später wurde ihm dieser Irrtum klar. Es begann bei ihm mit einem allgemeinen Unwohlsein. Seine fürsorgliche Frau riet ihm, sich hinzulegen, und er befolgte diesen Rat sogleich. Aber kaum lag er, da befiel ihn eine brennende Übelkeit. Es war ihm, als stünde sein Magen in Flammen. Mehrmals musste er sich übergeben. Und zuletzt brach er Blut. Das war bedenklich, und Micha Plotkins Frau schickte sogleich nach dem Arzt. Der kam innerhalb einer halben Stunde. Aber er konnte keine Diagnose stellen.
Seiner Meinung nach war mit Plotkin alles in Ordnung.
»Aber er hat doch Blut gebrochen!«, stieß die Fürstin besorgt hervor.
»Vielleicht ein nervöses Magenleiden. Kann aber nicht weiter schlimm sein«, erwiderte der Arzt.
»Was raten Sie uns?«, fragte die Fürstin.
»Vor allem sollte der Fürst für ein paar Tage das Bett hüten, nicht arbeiten, sich nicht aufregen.« Hinzu kamen einige Medikamente, die sich darauf beschränkten, die Nerven des Patienten zu beruhigen. Die einzige Weisheit des Arztes: Schlafen! Viel schlafen.
Dann kam die Nacht. Micha Plotkin war in Schweiß gebadet. Seiner Frau fiel auf, dass auch das Kind sehr unruhig war, und so pendelte sie zwischen dem Zimmer ihres Mannes und der Wiege, in der ihr Sohn lag, nervös hin und her. Gegen Mitternacht war sie so müde, dass sie hätte im Stehen einschlafen können. Nachdem sie noch einmal nach Micha gesehen hatte, begab sie sich in ihr Gemach. Neben ihrem Bett stand die Wiege. Und für einen Moment hatte die Frau das Gefühl, etwas Weißes würde sich über ihr schlafendes Kind beugen.
Doch dann war die Erscheinung wieder weg, und die Fürstin schrieb die Wahrnehmung einer Sinnestäuschung zu, geboren aus einer bleiernen Übermüdung. Wie ein Stein fiel sie ins Bett und schlief eine Minute später schon tief und traumlos.
***
Plotkins Nachthemd war triefnass. Obwohl eine warme Sommernacht über den endlosen Weiten Sibiriens lag, war das Schlafzimmer des Kranken von einer eisigen Kälte durchdrungen. Der Fürst klapperte mit den Zähnen. Kalter Schweiß brach aus seinen Poren. Er zitterte am ganzen Leib und zog sich im Schlaf die Decke – von einer unnatürlichen Kälte geschüttelt – über den Kopf.
Plötzlich ein Flüstern. Zuerst nur leise, kaum zu vernehmen, dann eindringlicher, schärfer, zischelnd. Plotkin hörte seinen Namen. Die Stimme war ihm vertraut. Sie drang in die Tiefe seines Albtraums hinein und ließ Traum und Wirklichkeit zu einer untrennbaren Einheit verschmelzen.
Auf einmal ein Hieb, der ihn in der Mitte durchschlagen wollte.
Entsetzt schnellte er hoch. Ein wahnsinniger Schmerz durchzuckte seinen Bauch. Niemand war da, der ihn so brutal geschlagen haben konnte. Er war allein in der undurchdringlichen Finsternis. Allein mit dieser grausigen Kälte, die um diese Jahreszeit einfach unerklärbar war.
Er dachte sofort an Anja, obwohl er sie nicht sehen konnte. Irgendetwas warnte ihn davor, sein Bett zu verlassen. Trotzdem warf er mit zitternder Hand die Decke zurück. Der Zwang, aufzustehen, war stärker und stellte die Warnung hintan.
Sein fiebernder Blick streifte durch den Raum. Sie ist hier! dachte er. Ich kann sie fühlen. Sie befindet sich in diesem Raum. Es war ein Fehler, sie zu verhöhnen. Nun kommt sie, um mir ihre Macht zu demonstrieren.
Nervös erhob er sich. Fröstelnd warf er sich seinen Schlafrock über die breiten Schultern und knüpfte den Bindegürtel hastig zu. Über ihm begann der Kristalllüster zu klirren. Dann klapperte ein Bild an der Wand. Und plötzlich flog ihm ein Wodkaglas an den Kopf. Er presste die
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