0043 - Die Geister-Lady
Werk.
Anja flehte ihn an, er solle sie erschlagen, doch er lachte sie aus. Sie bettelte um den Tod, aber er verwehrte ihn ihr.
»Du wirst dich selbst töten, mein Täubchen«, sagte er grinsend.
»Zuerst wirst du dich mit deinen eigenen Gedanken umbringen, und dann wird sich dein Körper gegen dich wenden. Und irgendwann in den nächsten Tagen wirst du den Verstand verloren haben und in diesem Pfeiler langsam zugrunde gehen! Natürlich werde ich dafür sorgen, dass du nicht erstickst. Das wäre ein zu rascher Tod für meine hübsche Anja. Ich werde dir ein paar Luftlöcher lassen. Und ich werde mehrmals am Tag hierher kommen, um mich nach deinem Befinden zu erkundigen…«
»Warum, Micha?«, kreischte die verzweifelte Frau. »Warum denn nur…?«
»Du weißt doch, warum!«, fauchte Plotkin ärgerlich und legte den nächsten Ziegel auf.
»Also gut, Fürst Plotkin?«, schrie Anja plötzlich mit hassverzerrten Zügen. »Dann werde ich eben auf diese grausame Art, die sich dein krankes Gehirn ausgedacht hat, zugrunde gehen! Aber ich schwöre dir, dass ich, während ich hier drinnen in diesem Pfeiler auf meinen Tod warte, nichts unversucht lassen werde, um mit dem Teufel ein Bündnis zu schließen. Ich bin sicher, dass mir das gelingen wird. Und dann sieh dich vor, Micha Plotkin, du gottverfluchte Kreatur. Hüte dich vor meiner Rache, denn sie wird dich zu einem Zeitpunkt treffen, wo du am allerwenigsten damit rechnest. Ich werde dich mit furchtbaren Albträumen quälen, wie du mich während unserer Ehe gepeinigt hast. Ich werde dir Kummer und Krankheiten bescheren, und ich werde alle deine männlichen Nachkommen – solltest du welche haben – ebenso tödlich treffen wie dich. Ich werde nicht eher ruhen, bis das Geschlecht der Plotkins für immer und ewig ausgelöscht ist!«
Für all diese Worte hatte der Fürst nichts weiter übrig als ein hohntriefendes Gelächter.
Er vollendete sein grausames Werk noch in dieser Nacht. Die Handwerker ließ er eine ganze Woche nicht an den von ihm aufgemauerten Torpfeiler heran. Und jeden Tag kam er, um zu hören, ob seine Frau noch am Leben war.
Vier Tage lang hörte er sie toben, fluchen und kreischen. Vier Tage hatte die arme Frau zu leiden. Und an jedem Tag stand der Fürst breitbeinig vor dem Torpfeiler und lachte sie schallend aus.
Den Gärtner hatte er irgendwo auf dem Grundstück verscharrt.
Den Leuten, die nach ihm fragten, erzählte er, Andrej Igorow hätte seiner Frau den Kopf verdreht – und die beiden wären bei Nacht und Nebel durchgebrannt.
Es gab sogar Leute, die den gehörnten Fürsten bedauerten, doch das waren jene, die ihn nicht gut genug kannten. Die anderen seufzten erleichtert auf, als wäre ihnen ein Stein vom Herzen gefallen, und meinten: »Endlich hat Anja, dieses brave Frauchen, diesen schrecklichen Tyrannen verlassen. Es war hoch an der Zeit für sie. Sonst wäre sie an seinen Gemeinheiten zugrunde gegangen.«
***
Von nun an betrank sich Micha Plotkin immer häufiger. Niemand wusste, weshalb er dies tat. Er wurde noch unleidlicher als bisher und vertrieb auch seine hartnäckigsten Freunde. Auf seinem Nachttisch stand immerzu die Wodkakaraffe. Und tagsüber trank er eimerweise grusinischen Wein. Er hatte Schmerzen in den Nieren, dass er sich oft stundenlang heulend auf dem Boden wälzte. Asthmaanfälle befielen ihn und drohten ihn zu ersticken. Und nachts hatte er die grauenvollsten Träume, die man sich vorstellen kann.
Schweißgebadet schreckte er in solchen Nächten hoch, und sofort griff er wieder zur Flasche, um seinen aufgepeitschten Geist zu lähmen.
Anja fegte irgendwo durchs Haus. Er konnte sie niemals sehen, obwohl er ihr schon mehrmals nachgerannt war, als sie so spöttisch zu lachen angefangen hatte. Er konnte sie immer nur hören. Ihr Seufzen, ihre Schritte, ihre Worte, wenn sie ihn verfluchte und ihn nach seinen Krankheiten fragte.
Sein Leben lang war er nicht krank gewesen.
Und nun war er kaum noch gesund. Er fiel vom Fleisch. Bald bestand er nur noch aus Haut und Knochen. Wenn er aß, musste er sich übergeben. Nur Wein und Schnaps konnte er behalten.
Allmählich bauten seine Kräfte ab. Sein Schritt wurde schwer und schleppend. Die Schultern fielen nach vorn, er konnte nicht mehr aufrecht gehen. Er sah aus wie ein alter Mann, obwohl er erst vierzig war.
Anja ließ ihn kaum eine Nacht durchschlafen. Einmal erschien sie in seinem Schlafzimmer. Ein weißer Schatten nur, mit ungewissen Umrissen. Sie kam an sein Bett und
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