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0048 - Ausflug ins Jenseits

0048 - Ausflug ins Jenseits

Titel: 0048 - Ausflug ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Appel
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unterbringen. Das Kreuz an meinem Hals und eine gnostische Gemme mussten genügen.
    »Zieh mir doch mal den Reißverschluss zu, John.«
    Jane sah in ihrem schulterfreien Abendkleid zum Anbeißen aus. Ich küsste ihren Hals.
    »Nicht, John, wir müssen in die Halle hinunter.«
    Ich brummelte, dass die Schlossführung mir gestohlen bleiben könne, fügte mich aber. Jane legte die Perlenkette um ihren makellosen Hals, nahm die kleine Handtasche und war bereit.
    Als wir das Zimmer verließen, ich hatte gerade abgeschlossen, traten die beiden Misses Agatha und Adele aus einer Zimmertür auf der anderen Flurseite. Mit ihren Rüschenblusen und den wadenlangen Kleidern sahen sie wie Überbleibsel der viktorianischen Epoche aus.
    Sie erstarrten, als sie uns sahen.
    »Shocking!« stieß Miss Adele hervor.
    »Sodom und Gomorrha!« sprach Miss Agatha. »Dieser Sittenstrolch von einem Oberinspektor ist erst in der vergangenen Nacht in das Zimmer von Miss Miller und Miss Ferguson eingedrungen. Und jetzt teilt er ein Zimmer mit Miss Collins.«
    »Solche Zustände sind der Untergang des britischen Empires!« empörte sich Miss Adele. »Miss Collins, ich bin entsetzt! Ich hatte sie anders eingeschätzt.«
    »John und ich sind alte Freunde, Miss Adele. Denken Sie an Ihren Blutdruck, und regen Sie sich nicht auf.«
    »Flittchen!« zischte Miss Agatha, als wir uns schon ein Stück entfernt hatten.
    »Soll ich den beiden Spinatwachteln mal die Meinung sagen, Jane?« fragte ich.
    Jane Collins drückte meinen Arm.
    »Lass sie, John. Es sind verknöcherte alte Jungfern voller Frustrationen. Beachte sie nicht.«
    In der Halle unten mussten wir eine Weile warten, bis alle versammelt waren. Miss Agatha und Miss Adele vermieden es betont, uns anzusehen. Und sieben der jungen Mädchen betrachteten mich ausgesprochen finster. Mich schauderte. Thomas Argyll hatte ein weiteres Opfer gefunden.
    Wie sollte das enden?
    Der älteste Sohn des Earls, Mortimer MacMoran, führte uns durch das Schloss. Er erzählte uns die Geschichte des MacMoran-Clans und die des Schlosses. Dabei erwähnte er auch, dass die MacMorans in früheren Jahrhunderten öfter mit den Argylls in Fehde gelegen hätten.
    »Aber heute werden Sie sich wohl nicht mehr mit Thomas Argyll in die Haare kriegen, Sir?« fragte der pensionierte Schullehrer, der auch mal witzig sein wollte.
    Mortimer MacMoran musterte Tomas Argyll von der Seite.
    »Argyll Castle wurde um 1800 zerstört. Damals hieß es, ein Schandfleck sei zu Recht ausgelöscht worden. Aber natürlich kann man Mr. Argyll nicht für die Taten seiner Vorfahren verantwortlich machen.«
    Den Mister betonte er genüsslich. Thomas Argyll verzog keine Miene. Im als Museum eingerichteten Ostturm sahen wir auch das Gemälde und die Rüstung von Edward »dem Eisernen« MacMoran, dem 14. Earl. Das Ölbild zeigte einen grimmig blickenden Schwarzbart mit Schmissen auf jeder Wange. Mortimer MacMoran erzählte ausführlich von den Heldentaten und Kämpfen dieses gewaltigen Recken.
    Der Rüstung nach hatte der Eiserne Edward nur einssechzig gemessen.
    Fast zum Schluss der Führung stiegen wir in die Schlossgewölbe hinab, wo jeder erst mal einen Whisky erhielt. Jetzt sollten wir nämlich die Verliese und die Folterkammer besichtigen. Bei den Verliesen handelte es sich um muffige Löcher mit in die Wände eingelassenen Ketten, an denen verschließbare Ringe hingen.
    »Hier verbrachte der englische Feldmarschall Drake, ein Vorfahre von Sir Francis Drake, sieben Jahre, in Ketten geschmiedet, bevor seine Königin ihn auslöste«, erzählte Mortimer MacMoran bei einer Zelle.
    Die Folterkammer war niedrig und düster und wurde stilgerecht von Fackeln erhellt. Zum Inventar gehörten eine Eiserne Jungfrau, eine Streckbank, Eisenschuhe, die man an den Füßen des Delinquenten erhitzt hatte, Daumenschrauben und andere Folterinstrumente, mit denen man im Mittelalter verstockten Zeitgenossen zugesetzt hatte.
    Mortimer MacMoran beschrieb die Anwendungsweise plastisch. Die Damen der Reisegruppe schauderten. Miss Agatha stieß mir den spitzen Ellbogen in die Rippen.
    »Auf diese Streckfolter sollte man Sie legen, Sie Wüstling!«
    Der Fotofan ließ seine rundliche Frau, sich vor der geöffneten Eisernen Jungfrau hinzustellen, einer aufklappbaren, ausgehöhlten Holzfigur mit langen Eisenspitzen an der Innenseite. Er fotografierte erst sein Eheweib und dann die dreizehnjährige Tochter.
    »Möchte noch jemand ein Foto?« fragte er.
    Einige meldeten sich. Zum

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