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0048 - Ausflug ins Jenseits

0048 - Ausflug ins Jenseits

Titel: 0048 - Ausflug ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Appel
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Schluss der Führung besichtigten wir noch die Kemenate, das Gesellschaftszimmer der Schlossherrinnen, mit einer sehr schönen Sammlung von Nippesfiguren.
    Einer der drei Studenten versuchte, eine Porzellanschäferin unter der Jacke verschwinden zu lassen. Eine ältere Dame sah es und ermahnte ihn, Mortimer MacMoran wurde aufmerksam. Der junge Mann stellte die Figur wieder hin.
    »Es sollte nur ein Scherz sein«, sagte er grinsend. »Eine Art Sport, ich hätte die Figur natürlich wieder zurückgegeben.«
    Unter den eisigen Blicken der andern wurde es ihm doch unbehaglich. Thomas Argyll zog ihn zur Seite und las ihm die Leviten. Argyll spielte seine Rolle als Reiseleiter perfekt, das musste man ihm lassen.
    Nach der Schlossbesichtigung gab es das Abendessen im Rittersaal. Außer unserer Reisegruppe waren noch über dreißig andere Gäste anwesend, die alle einen längeren Aufenthalt gebucht hatten. MacMoran Castle erfreute sich eines guten Zuspruchs.
    Der Schlossherr saß am Kopfende der Tafel, und da der alte Rauschebart über einen guten Geschmack verfügte, hatte er sich Jane Collins als Tischdame ausgesucht. Ich saß links von Jane, gegenüber der Gattin Mortimer MacMorans. Wir hatten die Möglichkeit, zwischen drei Menüs mit je vier Gängen auszuwählen.
    Der geräucherte Lachs schmeckte ausgezeichnet.
    Pagen umflitzten uns. An Personal hatte Earl Finlay keinen Mangel.
    »Ich bringe keinen Bissen mehr hinunter«, stöhnte Jane Collins, als der Nachtisch serviert wurde. »Ich platze!«
    Sie schaffte den Plumpudding aber doch noch. Im Saal im Erdgeschoß sahen wir uns anschließend den Folkloreabend an. Dudelsäcke spielten, und Männer in Kilts und Frauen in schottischer Tracht tanzten. Auf der Bühne wurde eine kurze Ballade vorgeführt, an deren Ende ein Finsterling vom Helden als gerechte Strafe mit dem Schwert durchbohrt wurde.
    Ich sah genau, wie sein Gegner ihm zwischen Brust und Oberarm durchstach.
    »Ha, Bube, du wirst Schottlands Hochland nimmer heimsuchen!« rief der Held, seine blonde Lady sank ihm in die Arme.
    Der Vorhang fiel. Wer mochte, konnte jetzt noch tanzen oder sich unterhalten, aber die meisten gähnten bereits. Meine innere Spannung wuchs. Thomas Argyll führte in dieser Nacht bestimmt wieder etwas im Schilde. Konnte ich es verhindern? Der nächste Tag würde entscheidend sein, denn am Nachmittag sollten wir die Ruinen von Argyll Castle und Loch Argyll erreichen.
    Ich sprach mit Mortimer MacMoran und fragte ihn nach Argyll Castle und dem See. Ein Schatten überflog sein Gesicht.
    »Ach, dieses alte Gemäuer, da gibt es nichts zu sehen. Die Gegend ist verrufen und wird von den Einheimischen gemieden. Früher hat sich da allerhand abgespielt. Die Argylls waren ein schlimmes Geschlecht, doch ich will mich nicht weiter äußern, um Ihren Reiseleiter nicht zu kränken.«
    Er wollte keinen potentiellen Kunden für sein Schlosshotel verlieren. Doch ich ließ so schnell nicht locker. Ich fragte MacMoran, ob er mir nichts Näheres über Argyll Castle sagen könne.
    »Wir fahren morgen dorthin. Mr. Argyll hat uns eine große Überraschung angekündigt, etwas ganz Besonderes.«
    »Tatsächlich? Bei uns übernachten öfter Reisegruppen, auch ›Argyll Tours‹ waren seit dem letzten Jahr schon mehrmals da. Aber Argyll Castle stand noch bei niemandem auf dem Besichtigungsprogramm. Das überrascht mich wirklich.«
    Mehr konnte er mir nicht sagen. Earl Finlay MacMoran trat noch einmal auf die Bühne und bat um Aufmerksamkeit.
    »Ladies and Gentlemen, eine Attraktion unseres Schlosses haben wir bisher noch nicht erwähnt. Die Weiße Frau. Wie in jedem guten schottischen Schloss, gibt es nämlich auch hier einen Hausgeist. Den Geist der Lady Eleanor MacMoran, die sich 1736 im Burggraben ertränkte. Aus Liebeskummer. Manchmal sieht man in der Geisterstunde ein weißes Schemen durch die Korridore huschen. Aber meistens macht sich die Weiße Frau nur mit Seufzern, Stöhnen und Kettengerassel bemerkbar. Passen Sie also gut auf, und erschrecken Sie nicht.«
    Es handelte sich um einen Gag, den der geschäftstüchtige Schlossherr sich hatte einfallen lassen, da war ich sicher. Aber er bot seinen Gästen etwas für ihr Geld.
    Thomas Argyll und Cora Simpson verschwanden schon gegen 23 Uhr. Zwanzig Minuten später gingen auch Jane und ich zu unserem Zimmer im Westflügel. Professor Melibocus und Fitz Fitzgerald waren auf der gleichen Etage untergebracht, der lange Professor begleitete uns dorthin.
    »Glauben Sie,

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