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0049 - Der blaue Tod

0049 - Der blaue Tod

Titel: 0049 - Der blaue Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Holger Friedrichs
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zu.
    Mit einem Satz war sie aus dem Bett. »Ein reitendes Gespenst«, sagte sie bestürzt. »Himmel, es hält direkt auf mein Zimmer zu!«
    Das Gespenst war durchsichtig und trug einen langen, wehenden Umhang. Seine grauenerregende Physiognomie wurde halb durch einen wallenden Bart verdeckt. In den Händen hielt es Pfeil und Bogen. Das Pferd schimmerte ebenfalls bläulich- transparent und bewegte sich in zeitlupenhaften, galoppierenden Bewegungen mit seinem Reiter durch den nächtlichen Himmel.
    Nicole erwartete, dass irgendjemand von den Nachtbummlern unten vor den Cafés die Erscheinung sichten und aufschreien würde.
    Doch es blieb aus. Sie kam zu der Erkenntnis, dass nur sie die schaurige Wesenheit wahrnahm und dass ihr Besuch niemand anders als ihr, Nicole, galt.
    Das Gespenst legte mit Pfeil und Bogen auf sie an.
    Nicole griff nicht erst nach ihrem Morgenrock; sie trachtete sofort danach, sich in Sicherheit zu bringen. Schnell ließ sie sich vor der Wand mit den Fenstern zu Boden gleiten. In der nächsten Sekunde geschah es.
    Es krachte, eine Fensterscheibe zersprang. Scherben prasselten auf sie nieder, ritzten ihre Rückenhaut und bereiteten ihr Schmerzen. Etwas Blaues, Leuchtendes stob über sie hinweg und bohrte sich in das Bett. Sie drehte sich um und sah, dass der blaue Pfeil Decke und Matratze durchbohrt hatte. Violette und grüne Flammen schlugen aus dem Lager.
    Nicole Duval wollte schreien, aber eine eisige Hand schien sich auf ihren Mund zu pressen. Sie schaffte es, sich zu erheben und zur Tür zu taumeln. Das Fenster, durch das der Pfeil gekommen war, zerbrach ganz – der reitende Geist kam ins Zimmer geprescht. Nicole riss die Tür auf und hastete nach nebenan.
    Niemand war auf dem Flur zu sehen. Kein Fremder konnte ihr helfen. Nicole hatte nur eine Hoffnung: Zamorra. Sie warf sich gegen die Tür zu seinem Raum. Sie flog auf und knallte gegen die Innenwand. Eisige Kälte schlug ihr entgegen.
    »Chef… Chef, um Gottes willen!« Sie brachte nur ein Hüsteln hervor. Eine Antwort erhielt sie nicht. In ihrem Rücken war das Gespenst, und ein neuer Pfeil jagte fauchend über den Flur und blieb in der Zimmertür stecken. Auch die Tür wurde im Nu von vielfarbigen Flammen bedeckt.
    »Chef!«
    Nicole entdeckte Zamorra vor dem Sessel, auf dem er während des Diktates gehockt hatte. Er lag verkrümmt auf dem Boden, sein Körper wies jedoch keine Wunden auf. Nicole bebte vor Angst und Kälte. In ihrer Not wusste sie sich nur einen Rat. Sie warf sich auf den reglosen Körper Zamorras, tastete mit fliegenden Fingern nach seiner Halskette und löste das silberne Amulett.
    Das blaue Gespenst kam zur Tür herein. Nicole Duval rappelte sich auf, hielt ihm das Amulett entgegen und stammelte Formeln, die sie von Zamorra gehört hatte. Jählings bäumte sich das Geisterpferd auf. Seinem Maul entrang sich ein klagender Ton, seine Hufe schlugen erbost. Das schreckliche Gespenst wollte wieder schießen, aber Bogen und Pfeil entglitten seinen Krallenhänden und verschwanden im Nichts. Die gesamte Erscheinung schlug einen Bogen um Nicole und schwang zum zerbrochenen Fenster hinaus. Mit ihr verging auch die eisige Kälte.
    Nicole zitterte immer noch. Sie beugte sich über Professor Zamorra und fühlte nach seinem Puls, horchte an seiner Brust.
    »Chef, was in aller Welt ist geschehen?«, sagte sie mit verzweifeltem Schluchzen.
    Zamorra stöhnte nur gequält auf.
    ***
    Sie hatten die Straße gewählt, die in westlicher Richtung aus der Stadt führte, und zwar auf eine kleine Ortschaft namens Le Conquet zu. Jean-Luc Mauvais hatte zunächst mit dem Gedanken gespielt, den Hafen von Brest aufzusuchen und ein Motorboot oder – schiff zu nehmen. Doch erfahrungsgemäß besetzte die Polizei bei einer Großaktion wie dieser sehr schnell die entscheidenden, neuralgischen Punkte.
    Die letzten Häuserfassaden von Brest zogen an ihnen vorüber. Der kleine Gangster am Steuer trat das Gaspedal tiefer.
    Mauvais und Bienmât saßen im Fond und hielten die Maschinenpistolen, die sie den beiden toten Polizisten aus dem Streifenwagen abgenommen hatten. Bienmât ließ ein heiseres Lachen vernehmen.
    »Das war’s. Der Coup ist doch gelaufen.«
    »Und wir bringen heiße Ware im Wert von schätzungsweise zwanzig Millionen Francs ins Ausland«, stellte Grivois triumphierend fest. Er guckte in den Innenspiegel und suchte das Gesicht seines Bosses. Der verzog keine Miene.
    »Ich würde nicht zu früh Hurra schreien. Die Bullen sind garantiert dabei,

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