0049 - Der blaue Tod
rasten die Gangster nach Le Conquet. Vor der Ortschaft bogen sie auf einen Feldweg ab, stiegen aus und ließen den Streifenwagen zurück. Zu Fuß hasteten sie weiter.
In der Ferne heulten die Polizeisirenen, aber sie vermochten das zunehmende Rauschen nicht zu überdecken. Salzgeruch lag in der Luft. Man konnte das Meer hören und riechen. Jean-Luc Mauvais wusste, dass es keinen halben Kilometer entfernt lag.
Sie liefen über flaches Gelände und näherten sich einem Gebäude.
Schon vor über einer Woche hatten sie die Gegend ausgekundschaftet und diesen Platz für richtig befunden, falls etwas schief laufen und sie zur raschen Flucht gezwungen sein sollten. Das Gebäude war ein flaches, modernes Einfamilienhaus mit allem erdenklichen Komfort. Schätzungsweise hundert Meter trennten es von der Küste und dem massiv konstruierten Anleger, der in die Fluten stach. Auf den Wellen hob und senkte sich der nur schemenhaft zu erkennende Schattenriss eines Kajütkreuzers.
Die Gangster schlichen an dem Haus vorüber. Innen nahm sich matter Lichtschein aus und es waren sogar die Stimmen von Männern und Frauen zu hören. Mauvais, Bienmât und Grivois kümmerten sich nicht um die Leute. Sie suchten mit ihren Waffen und Werkzeugtaschen den Anleger auf, stiegen an Bord des Kajütkreuzers und lösten die Leinen.
Jemand hatte sie bemerkt.
Ein Mann kam aus dem modernen Haus hervorgelaufen und schrie etwas. Henri Bienmât hob seine Maschinenpistole an, ließ eine Garbe über die Planken des Anlegers auf das Gebäude zurattern. Der Mann verschwand wie ein Wiesel. Die Gangster lachten.
Es bereitete ihnen keinerlei Schwierigkeiten, die beiden Motoren des Kreuzers ohne Zündschlüssel zu starten. Grivois machte sich am Sicherungskasten und an den Zündkabeln zu schaffen. Diesmal beging er keinen Fehler. Mit sattem Brummen meldeten sich die Maschinen. Grivois blickte seinen Boss wie ein Soldat an, der von seinem Vorgesetzten ein Lob erwartete.
Paul Grivois übernahm die Steuerung. Seine Komplizen standen mit schussbereiten Waffen auf dem Achterdeck, als sich das Heck des schnellen Schiffes in die schwärzlichen Fluten senkte und sprudelndes Kielwasser seine Spur zurückließ. Mit steiler Bugwelle durchkämmte der Kajütkreuzer die See. Die Oberfläche des Atlantiks wurde von kleinen Wellen aufgerührt – das Meer war kabbelig, wie man sagte, aber das war um diese Jahreszeit nichts Ungewöhnliches.
Zwei kleine, blinkende Lichter glitten über den Küstenstreifen hinweg.
»Ein Hubschrauber«, erkannte Jean-Luc Mauvais. »Die Besatzung stößt wahrscheinlich in diesem Augenblick auf den verlassenen Streifenwagen. Die Leute aus dem Haus werden auch Alarm geschlagen haben. Aber hier draußen auf See kriegen sie uns nicht mehr.«
Sie nahmen Kurs Südsüdwest und fuhren ohne Positionslichter, ohne Peilung, ohne Radar, ohne Funk. Grivois verzichtete aus Gründen der Sicherheit sogar darauf, die automatische Steuerungsanlage in Betrieb zu setzen. Er hielt das Steuerrad die ganze Zeit über in den Händen. Mauvais und Bienmât traten zu ihm ins Cockpit.
Gegen 01.55 Uhr sichteten sie Lichter über der Kimm. Jean-Luc Mauvais hielt mit einem Nachtglas Ausschau, das er an Bord aufgestöbert hatte. »Ein größeres Schiff, wahrscheinlich ein Kutter der Küstenwacht. Kurswechsel, Paul. Sie versuchen, uns den Fluchtweg abzuschneiden. Wir sehen zu, dass wir an ihnen vorüberkommen.«
Rund fünf Minuten später sagte der kleine Gangster: »Es nützt alles nichts. Sie finden uns doch. Sie müssen ein Radarnetz haben, in dem sogar eine Nussschale verzeichnet wird, die kein Recht hat, hier herumzuschippern.«
Seine Behauptung fand ihre Bestätigung. Vom Kutter der Küstenwacht aus wurden Leuchtraketen abgeschossen. »Runter«, rief Mauvais wütend. »Unten in der Kajüte liegen Taucherausrüstungen. Wir haben keine andere Wahl.«
Sie legten die Froschmannkleidungen an und verstauten ihre Beute in wasserdichten Beuteln, die an Gürteln mitzuführen waren. Die Maschinenpistolen mussten sie zurücklassen, doch die automatischen Pistolen samt Munition ließen sich ebenfalls in Spezialbehältnissen befördern. Die Gangster sprangen vom dahinstampfenden Kajütkreuzer und tauchten in den Fluten unter.
Eine halbe Stunde später wurde der Kajütkreuzer nach mehrfachen Vorwarnungen von zwei Kuttern der Küstenwacht gewaltsam gestoppt. Ein Schuss in die Ruderanlage und gegen die Schraube verlangsamten seine Fahrt. Die Kutter gingen längsseits, keilten
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