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005 - Tagebuch des Grauens

005 - Tagebuch des Grauens

Titel: 005 - Tagebuch des Grauens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: D.H. Keller
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meinst, wir sollten eine Beschwörung veranstalten, eine Séance?«
    »Das ist doch nicht dein Ernst«, sage ich zu Michel.
    Er hört mir nicht zu, und auch Suzanne beachtet mich nicht.
    »Es ist nicht gefährlich«, erklärt Michel. »Dabei kann man sehr interessante Dinge erleben.«
    Der Gedanke macht Suzanne nervös. Ich sehe, wie sie an ihrem Spitzentaschentuch herumfingert.
    Ich gebe auf. Ich weiß schon, wie es weitergehen wird.
    »Warum sollen wir denn noch warten?« sagt sie.
    »Würde es dich wirklich interessieren?« erwidert Michel.
    »Ja.«
    Er lächelt. Er hat sein Ziel erreicht. Jetzt kann Suzanne nichts mehr zurückhalten. Wenn ich ihr drohen würde, allein zurückzukehren, falls sie nicht sofort mit mir nach Hause kommt, würde sie einfach bleiben.
    Ich lasse mir mein Unbehagen nicht anmerken und versuche es mit Ironie.
    »Und du glaubst wirklich, dass du Geister beschwören kannst?« sage ich zu Michel.
    »Warum denn nicht?« erwidert er.
    »Vielleicht fürchten sie die Kälte.«
    Michel macht ein ernstes Gesicht. »Pierre, darüber darfst du keine Witze machen. Es gibt übernatürliche Kräfte und Erscheinungen, daran kannst du nichts ändern, ob du nun an sie glaubst oder nicht.«
    Er scheint tatsächlich daran zu glauben. In entschlossenem Ton fährt er fort: »Eure Erlaubnis vorausgesetzt, werde ich versuchen, es zu beweisen.«
    Suzanne sieht mich fragend an. Ich wende mich ihr zu.
    »Aber Pierre, warum willst du denn nicht mitmachen?« fragt sie mich vorwurfsvoll.
    Ich zögere mit der Antwort. Mir fällt kein vernünftiger Grund ein. Suzanne hat gewonnenes Spiel.
    Michel ist sehr ruhig. Seine Beherrschung überrascht mich.
    Wenn er nun recht hätte? Was weiß ich schon von solchen Dingen. Nichts, gar nichts. Ich habe natürlich davon auch schon mal gehört, aber ich habe mich nie damit beschäftigt. Und ich glaube nicht an Gespenster und ähnliches. Aber darf ich deshalb die Beweise verschmähen, die er mir verspricht?
    Wenn ich mich weigere mitzumachen, kann das als Furcht ausgelegt werden. Zweifel steigen in mir auf. Vielleicht gibt es doch übernatürliche Erscheinungen? Vielleicht täusche ich mich, wenn ich nicht an ihre Existenz glaube?
    Ich werfe Suzanne einen Blick zu. Sie versteht mich und weiß, dass ich einverstanden bin.
    Michel wendet mir den Rücken zu. Er streckt die Hände dem Feuer entgegen. Vielleicht war er von Anfang an davon überzeugt, dass er bei uns erreichen würde, was er wollte.
    Aber ich wundere mich über Suzanne. Sie kann kaum noch ihre Ungeduld zügeln. Solange wir verheiratet sind, haben wir noch nie über dieses Thema gesprochen. Ich habe gar nicht gewusst, dass sie sich für so etwas interessiert.
    Sie scheint mir wie verwandelt. Ihre Augen glänzen, und sie atmet schwer.
    Michel dreht sich wieder zu uns um.
    »Hier können wir es aber nicht machen«, sagt er.
    »Warum nicht?« will Suzanne wissen.
    »Es muss dunkel sein.«
    Suzanne ergreift meine Hand.
    »Wo wollen wir hingehen?« fragt sie.
    »Ins Esszimmer«, erwidert Michel.
    Ich mache noch einen letzten Versuch, das Unternehmen zu verhindern.
    »Suzanne, du musst dir klar darüber sein, dass die Sache sehr aufregend sein kann«, sage ich.
    »Das macht doch nichts«, meint sie.
    »Also kommt!« Michel geht uns voran.
    Wir folgen ihm durch den Gang. Er öffnet eine Tür. Ein großes dunkles Zimmer liegt vor uns.
    Ich schaudere. Es ist eisig kalt in dem Raum, in dem schon lange kein Feuer mehr entzündet worden ist.
    »Setzt euch«, fordert Michel uns auf.
    Ich spüre Suzannes schmale Hand in meiner Rechten. Ihre Finger sind eiskalt. Sie zittern.
     

     

Die Stille wird nur durch das Ticken der Standuhr in der Ecke unterbrochen.
    Draußen heult der Wind und rüttelt an den Bäumen im Hof. Ihr Ächzen klingt fast wie menschliches Stöhnen.
    Die Tür des Esszimmers steht halb offen. Aus der Küche dringt ein schwacher Lichtschein herüber. Dann schließt Michel die Tür, und völlige Finsternis hüllt uns ein.
    Schweigend und regungslos warten wir.
    Ich höre Michels Atem, der ganz ruhig geht. Suzanne atmet rascher als sonst.
    »Konzentriert euch!« befiehlt uns Michel mit leiser Stimme. Dabei wendet er sich vor allem an meine Frau.
    Ihre Hand krampft sich um die meine. Wie ein ängstlicher kleiner Vogel zittert sie zwischen meinen Fingern.
    Stille. Ich vergesse den Wind.
    Ich spüre nichts. Unwillkürlich zähle ich das Ticken der Uhr. Ich reiße die Augen auf und spitze die Ohren, aber ich nehme nichts wahr.

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