0052 - Der Teufelsring
zu verfolgen. Zamorra konnte das nur recht sein. Sein Gesicht war zu einer steinernen Maske erstarrt. Er nahm den Fehdehandschuh gerne auf, der ihm hier hingeworfen wurde.
Auge um Auge, Zahn um Zahn, dachte er bei sich. Inzwischen bereute er es, Nicole mitgenommen zu haben. Sein Leben warf er gerne in die Waagschale, doch das Nicoles?
Er zwang sich dazu, nicht mehr daran zu denken. Er musste voll auf dem Posten sein, wenn er diesen ungleichen Kampf für sich entscheiden wollte. Sein Gegner war kein Mensch mehr. Er war eine reißende Bestie, ein Geschöpf aus den Höllen der schwarzen Magie geboren. Zamorra biss die Zähne zusammen bis sie knirschten.
Die ›Rumeli‹ holte auf, ging auf der Leeseite längsseits, hielt dann die Geschwindigkeit.
Das Wesen mit dem übergroßen Kopf starrte herüber. Von Yüsürk war keine Spur mehr zu entdecken. Kielwasser platschte gegen die Bordwände. Die Fahrt war schnell.
Augenblicke lang überlegte sich Zamorra, ob er sich nicht in das Wasser stürzen sollte, um die ›Rumeli‹ schwimmend zu erreichen.
Durch sein Amulett fühlte er sich vor den Todesstrahlen geschützt.
Doch er ließ von diesem Gedanken schnell wieder ab. Die Geschwindigkeit der beiden Boote war zu hoch. Das Wesen machte weiter mit seinem Zerstörungswerk. Wieder glitt der Strahl herüber.
Diesmal traf er auf die Bordwand. Sie bröckelte ab und zerfiel ins Wasser. Spanten und Schotten wurden frei. Gurgelnd lief das Wasser in den offenen Rumpf.
Er will uns ersäufen! schoss es Zamorra durch den Kopf, und gleichzeitig musste er an Nicole denken, die ungeschützt den Fluten ausgeliefert war. In Windeseile rutschte er die schmale Treppe hinunter. Wasser umspülte seine Knöchel. Er konnte Nicole nirgendwo sehen.
»Nicole!«, rief er, während die Flut immer höher stieg. Sie hatte seine Knie erreicht. Immer größer wurde das Leck in der Bordwand.
Wenn nur der Strahl nicht auf das Mädchen traf!
»Chef?«, kam es kläglich, und da sah er sie.
Nicole war auf der gegenüberliegenden Seite auf die Sitze geklettert und bebte am ganzen Körper.
»Zu mir her!«, rief Zamorra, wartete nicht ab, bis sie reagierte, sondern watete kraftvoll durch das Wasser, das mittlerweile bereits an seinen Oberschenkeln leckte.
Er griff Nicole unter die Knie und unter die Arme. Das Mädchen ließ sich willig sinken. Zamorra trug sie nach oben. Lange konnten sie nicht mehr an Bord bleiben. Innerhalb weniger Minuten würde ihr Boot gesunken sein. Zamorra stapfte an Deck. Die Hosen schlotterten ihm um die Beine. Er hörte das höhnische Gelächter, das hohl von der ›Rumeli‹ herüberschallte. Das Geistwesen glaubte wohl sein Spiel schon gewonnen.
Doch Zamorra wusste noch von einer Trumpfkarte. Ein sehr kleiner Trumpf.
Als der Weißbärtige vom Yachtclub ihn eingewiesen hatte, hatte er auch von einem Gummiboot gesprochen, das hinten am Ruder unter einem Deckbrett verstaut war.
Dorthin eilte Zamorra. Das Boot hatte sich schon bedenklich zur Seite geneigt. Der Abstand zur ›Rumeli‹ hatte sich vergrößert.
Er ließ Nicole auf die Ruderbank sinken, drehte den metallenen Handgriff der Luke und zerrte das Schlauchboot heraus. Am Füllnippel hing eine kleine Sauerstoff-Flasche und eine Minipumpe. Zamorra riss an der Schnur. Die Gummiwülste pumpten sich in Sekundenschnelle auf.
Zamorra stieß das Schlauchboot mit einem Fußtritt über Bord, nahm Nicole wieder auf und schleuderte sie nach. Es spritzte auf, als das Mädchen darin landete. Zumindest fiel sie weich.
Der Geisterjäger hatte jetzt keine Sekunde mehr zu verlieren. Im Rumpf des gecharterten Bootes begann es bereits zu gurgeln und zu rumoren. Spanten brachen splitternd. Mit einem Hechtsprung setzte er sich ab, tauchte in das handwarme Wasser, kam wieder hoch.
Das hämische Gelächter war verstummt.
Zamorra kletterte über den Rand des Schlauchbootes. Nicole half ihm dabei. Er griff nach seinem Amulett. Es war noch da.
Schwer atmend ließ Zamorra sich in die Nussschale sinken. Viel Zeit zum Verschnaufen blieb ihm nicht. Über den Rand des Bootes hinweg sah er, dass auf Yedicules Schiff die Segel gerefft waren.
Nackt ragte der Mast in den Nachthimmel. Ein Hilfsmotor begann zu brummen. Die ›Rumeli‹ wendete und hielt jetzt auf sie zu.
Am Bug stand die Gestalt, die Zamorra inzwischen besser kannte, als es ihm lieb war. Sie stand in stoischer Ruhe. Der Sturm schien ihr nichts auszumachen.
Zamorra sah, wie sie am Ring herumfingerte, um den Diamantenstrahlen die
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