0052 - Der Teufelsring
er immer hinunter zum Yachthafen. Er hat ein Boot dort liegen. Der Herr Dekan verbringt öfter seine Wochenenden auf dem Wasser. Zu mir hat er einmal gesagt, er könne dort besser nachdenken.«
»Er steuert sein Boot alleine?«
»Aber nein. Dieser Herr Yüsürk ist immer dabei. Er ist so eine Art Mädchen für alles, müssen Sie wissen.«
»Sie sind ein Goldschatz«, sagte Zamorra. »Können Sie uns zur Anlegestelle von Yedicules Boot bringen?«
Der Fahrer öffnete den Wagenschlag. »Bitte steigen Sie ein.«
Erleichtert ließ sich Zamorra neben Nicole in die Polster des alten Chevy sinken.
»Das Glück des Tüchtigen«, gab Nicole ihren Kommentar dazu.
Der Fahrer lenkte den Straßenkreuzer mit traumwandlerischer Sicherheit durch Istanbuls permanentes Verkehrschaos, in dem immer der Stärkere die Vorfahrt hat und die Ampeln mehr als Dekoration für das übrige Straßenbild dienen.
Der Yachthafen lag am Südrand der Stadt, dort wo Istanbul seinen urbanen Charakter schon verlor, wo die Häuser niedriger waren und die Villen prächtiger. Palmen säumten die gut ausgebaute Straße.
Der Fahrer bog links ab und nahm einen Weg zwischen gepflegten Blumenrabatten hindurch. An der Ruine eines alten Forts vorbei kamen sie zu einem geschlossenen Gatter, über dem bunte Wimpel wehten. Auf einem Schild stand, dass hier der Eingang zum ›Istanbul-Yachting-Club‹ war.
Der Fahrer sprang aus dem Wagen und wechselte ein paar Worte mit einem mürrischen Wachtposten in abgerissener Kleidung. Zamorra sah, wie er ihm ein paar kleinere Scheine zusteckte. Das Tor wurde geöffnet.
»Ich habe ihm gesagt, dass Sie zum Dekan wollen und dass Sie für heute abend seine Gäste sind. Wer nicht Mitglied ist, hat hier nämlich keinen Zutritt.«
»Das haben Sie prächtig gemacht. Selbstverständlich werde ich Ihnen Ihre Auslagen ersetzen.«
Der Taxifahrer strahlte und wandte sich voll um. Um ein Haar wäre der Wagen gegen ein Boot gefahren, das auf einen Wagen aufgedockt war. Im letzten Augenblick riss er das Steuer wieder herum.
»Viele Schiffe«, sagte der Fahrer und grinste diesmal nur in den Rückspiegel.
Vor einem Flachbau aus Sichtbeton hielten sie an. Hier waren auch Mercedeslimousinen neuerer Bauart, Luxusgefährte aus den Staaten, aus Frankreich und vor allem auch aus Italien zu sehen. Sie kündeten davon, dass ihre Besitzer einflussreich genug waren, die strengen Einfuhrbeschränkungen der Türkei zu umgehen.
»Kann ich Ihnen noch einen Gefallen tun?«, fragte der Fahrer.
»Sehen Sie den Dienstwagen von Yedicule irgendwo?«
Der Fahrer deutete auf einen schwarzen Dodge.
»Das ist er.«
»Wie heißt Yedicules Schiff?«
»Das weiß ich nicht, aber ich kann es erfragen.«
»Tun Sie das.«
Zamorra und Nicole warteten, bis der Mann aus der Eingangshalle des Clubgebäudes zurückkam.
»Sie heißt ›Rumeli‹«, sagte er, »und sie ist vor etwa zehn Minuten ausgelaufen.«
»Kann ich hier eine Yacht mieten?«
»Das ist aber teuer.«
»Geld spielt in diesem speziellen Fall einmal keine Rolle. Ich muss den Dekan unbedingt sprechen. Noch heute abend.«
»Dann wird es sich machen lassen«, meinte der Fahrer. »Kommen Sie mit einem Boot überhaupt zurecht?«
»Ich denke schon. Ich habe schon einige Regatten gewonnen. Die entsprechenden Bestätigungen und Bescheinigungen habe ich bei mir.«
»Dann ist ja alles in Ordnung. Kommen Sie bitte mit hinein. Ich werde die Angelegenheit für Sie klären.«
Mit diesem Taxifahrer hatten sie wirklich einen guten Griff getan.
Schon nach einer viertel Stunde wies sie ein weißbärtiger Mann in die Handhabung eines schnellen Kabinenkreuzers ein. Er zeigte sich beruhigt, als Zamorra all seine Fachfragen zu seiner vollen Zufriedenheit beantworten konnte.
Zamorra hinterlegte noch eine geharnischte Kaution und zahlte den Taxifahrer großzügig in amerikanischen Dollars aus, worauf dieser sämtliche Wohltaten Allahs auf ihn herabbeschwor und die Gelegenheit ergriff, Nicoles Hand zu küssen.
Dann konnten sie endlich ablegen.
Zamorra hatte noch herausgefunden, dass Genc Yedicule ein Boot ähnlicher Bauart besaß und dass auf dem Marmara-Meer rund 5000 Stück davon herumschwimmen.
Zum Glück taten sie das nicht alle gleichzeitig. Die meisten Segler waren von ihren Tagestörns schon in die jeweiligen Häfen zurückgekehrt. Nur mehr wenige weiße Segel stachen in das dunkler werdende Blau des wolkenlosen Himmels.
Nicole bereitete in der schmalen Kombüse aus Konserven ein kurzes aber
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