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0053 - Die Geisterhand

0053 - Die Geisterhand

Titel: 0053 - Die Geisterhand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jason Dark
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ihre schmale Handtasche. Sie nahm einen prall gefüllten Briefumschlag hervor und übergab ihn dem Meister.
    Er legte ihn neben das Wasserglas.
    »Du liebst mich?« fragte er.
    »Ja.«
    »Bist du bereit, es mir zu beweisen?«
    »Ja.«
    »Würdest du auch für mich sterben?«
    Zum erstenmal zuckte Lydia zusammen. Sie hob den Kopf, wollte mit der Antwort zögern, doch unter seinem zwingenden Blick wurde sie schwach. »Ich bin bereit.«
    »Auch in dieser Nacht?«
    »Für dich gehe ich in den Tod, Geliebter.« Ihre Gedanken waren plötzlich verschwunden. Dafür ertönte in ihrem Kopf der Widerhall des letzten Spiels, und sie hörte zwischen den Tönen eine flüsternde Stimme, die sagte: »Tu es jetzt. Beweise ihm deine Liebe. Er wird dich führen. Er wird deinen Geist aufnehmen…«
    Die Stimme war einschmeichelnd und fordernd zugleich. Und sie gehörte ihm. Er beeinflußte ihre Gedanken. Lydia Linkerton dachte nicht darüber nach, wieso das der Fall war, sie nahm es hin.
    Als der Meister seine Hände hob, schaute die Frau fasziniert auf die weißen Handschuhe.
    Langsam zog er sie aus.
    Erst den linken, dann den rechten Handschuh. Er streckte den rechten Arm aus und drehte die Hand so, daß Lydia auf seine Finger schauen konnte – und auf die Nägel.
    Ihr Blick weitete sich.
    Diese Nägel – sie waren nicht normal. Sie zeigten Bilder, Gestalten, Menschen, Situationen…
    Auf dem Nagel des Zeigefingers entdeckte Lydia etwas, das ihr einen Schock versetzte. Das Monster sah aus wie ein Wolf. Weit hatte es die Schnauze aufgerissen, ließ scharfe Zähne sehen und schien anklagend den Mond am Himmel anzuheulen.
    Aber sie sah noch mehr, als ihr Blick weiterwanderte. Einen blondhaarigen Mann mit sympathischen Gesichtszügen, dann eine Frau mit ebenfalls blonden Haaren, außerdem zeigte der Daumennagel das Gesicht des Pianisten, allerdings perspektivisch so verzerrt, daß es schon zu einer Grimasse entartete.
    Am meisten schockte sie das fünfte Bild.
    Das war sie selbst!
    Lydia erkannte sich sehr deutlich. Hinter ihr Dunkelheit. Dazwischen ein Funkeln oder Glitzern.
    Jetzt drehte sie sich um, schritt wie eine Schlafwandlerin weiter und war verschwunden.
    »Würdest du wirklich für mich in den Tod gehen?« Abermals hörte sie die Stimme, und sie konnte nichts anders, als zuzustimmen. Wie hypnotisiert klebte ihr Blick an der Hand fest. Die anderen Figuren verschwanden, machten wieder den normalen Nägeln Platz. Nur das Bild, das Lydia zeigte, blieb.
    Es wurde größer.
    Wuchs um das Doppelte, das Dreifache seines ursprünglichen Maßes – und…
    Sie fühlte auf einmal einen kalten Luftzug, der über ihr erhitztes Gesicht streifte.
    Wo kam der Wind her? In der Garderobe war es schwül und stickig gewesen, jetzt fröstelte sie auf einmal.
    An ihrem linken Arm verspürte sie den vertrauten Druck einer führenden Hand.
    Der Meister war bei ihr.
    »Würdest du für mich in den Tod gehen…?«
    Wie Glockenschläge klangen die Worte in ihrem Hirn nach. Ja, sie würde sich hineinfallen lassen in das Reich ohne Wiederkehr. In den Tunnel des Vergessens…
    Der Wind blies jetzt von vorn, drückte das Kleid gegen ihren schlanken Körper und zeichnete die Proportionen deutlich ab.
    Antonio Scaramanga hatte dafür keinen Blick. Er schaute nach vorn, dorthin, wo das flache Dach des kleinen Theaters zu Ende war…
    Die Frau hatte sich nicht getäuscht. Sie befanden sich in der Tat im Freien. Ohne daß sie es gemerkt hatte, war sie von dem Pianisten aus der Garderobe geführt worden.
    Noch vier Schritte…
    »Weiter, geh weiter«, hörte sie die fordernde Stimme.
    Lydia Linkerton gehorchte. Immer näher kam sie dem Rand. Mit jedem Schritt wurde das Verlangen, diesem dämonischen Pianisten alles zu geben, größer.
    Zwei Schritte.
    Einer noch…
    »Bald«, raunte der Meister dicht neben ihrem linken Ohr. »Bald hast du es geschafft…«
    Der letzte Schritt.
    Lydia Linkerton blieb stehen. Direkt vor dem Dachrand. Es schien, als wäre eine Sperre in ihrem Unterbewußtsein zugefallen und hätte gleichzeitig den dunklen Vorhang vor ihrem eigenen Willen zur Seite gerissen.
    »Geh weiter, Lydia…«
    Ein tiefer Atemzug. Lydia Linkerton öffnete die Augen, sie senkte den Kopf, schaute auf ihre Zehenspitzen, sah die Tiefe vor sich, die in der herrschenden Dunkelheit nicht auszuloten war.
    Plötzlich arbeitete ihr Verstand wieder klar und deutlich.
    Scaramanga wollte sie umbringen!
    Ganz entfernt glaubte sie, die Klänge des Flügels zu hören. Aber

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