0055 - Todeszone London
ihm eine Chance geben.«
»Aber dann kann es zu spät sein.«
»Kann. Braucht aber nicht.«
Maggie schwieg wieder.
Im Hintergrund des Kellers begann jemand zu beten. Mit lauter Stimme, so daß sie über die Köpfe der Anwesenden hinwegschallte.
Der Mann sprach das Vaterunser, und es waren nicht wenige, die mit einstimmten. Die Angst hatte sie zusammengeschweißt und aus ihnen eine verschworene Gemeinschaft gemacht.
Auch Maggie betete. Dabei füllten sich ihre Augen mit Tränen, während das Baby auf ihrem Schoß lag und schlief. »Seit meiner Kindheit habe ich nicht mehr gebetet«, sagte Maggie.
Nicole nickte. »Manchmal ist es sehr gut, und es hilft auch«, erwiderte Zamorras Sekretärin.
Über eine Stunde saßen die Menschen bereits zusammen. Und jede Minute zählte doppelt für sie.
Alle wußten von dem Grauen, und alle lauerten darauf. Es würde über sie hereinbrechen – irgendwann…
Wieder warf Nicole Duval einen Blick zur Schachtöffnung hoch. Da sah sie die Liane.
Aber nicht nur eine. Eine zweite und dritte schoben sich daraus hervor, glitten nach unten und pendelten plötzlich über den Köpfen der sitzenden Menschen.
Es war nur noch ein Frage der Zeit, wann sie zustoßen würden.
Nicole mußte sie warnen.
»Vorsicht!« schrie sie.
Ihr Schrei hallte in dem Kellerraum wider. Er riß die Menschen aus der Erstarrung.
Ein gellender Schrei des Entsetzens brandete in Richtung Decke und hallte schaurig durch den Keller.
Die Leute sprangen auf und drängten dort zurück, wo die Pflanzen zu Boden fallen würden.
Sie klatschten auf die Erde.
Sofort wuchsen weitere Tentakel aus dem ersten Stamm, die sich ziemlich schnell über den Boden bewegten. Einer der Ober versuchte, zwei von ihnen zu zertreten. Er rutschte aber aus und fiel hin.
Hart schlug er mit dem Hinterkopf auf und wurde bewußtlos.
Sofort waren zwei andere Tentakel bei ihm und wanden sich um seinen Körper.
Niemand half dem Mann.
Bis auf Nicole Duval.
Sie sprang hoch, drängte vor ihr Stehende zur Seite und näherte sich dem Bewußtlosen.
Ein weiterer Tentakel schnellte auf Nicole zu.
Sie wich geschmeidig aus und ging neben dem Ober in die Knie. Ihr war jetzt alles egal. Mit beiden Händen packte sie zu und versuchte, die Fangarme vom Körper des Unglücklichen loszureißen.
»So helft mir doch!« schrie sie.
Wieder zerrte Nicole verzweifelt, doch die Kraft der Pflanzen war stärker. Gleichzeitig sonderten sie einen roten Saft ab, der sich mit Windeseile durch die Kleidung des Obers fraß und schon auf die Haut tropfte.
Es wurde kritisch.
Plötzlich erwachte der Mann aus seiner Bewußtlosigkeit und begann zu schreien. Die Flüssigkeit mußte brennen wie Säure, und Nicole sah mit Entsetzen, wie der Körper des Mannes verdorrte.
Es war schlimm…
Nicole mußte zurück, wollte sie nicht selbst ein Opfer dieser Bestien werden.
Denn schon waren ihre eigenen Hände mit dem Saft in Berührung gekommen. Sie spürte das Brennen an den Fingerkuppen und sah, wie die Haut einschrumpfte und eine bräunliche Färbung annahm.
Die junge Französin sprang auf.
Die Menschen hatten sich zurückgezogen und dicht an die Wände gepreßt, während aus dem Schacht immer mehr Pflanzen krochen und sich lautlos ausbreiteten.
Doch Nicole wollte nicht aufgeben.
Ihr Blick zuckte in die Runde.
Und plötzlich hatte sie eine Idee.
Sie sah die zahlreichen brennenden Kerzen und erinnerte sich daran, daß viele Dämonen mit Feuer vernichtet werden konnten.
Vielleicht auch die Pflanzen…
»Nehmt die Kerzen!« schrie sie einigen Männern zu. »Los, nehmt sie euch! Die verdammten Dinger müssen wir verbrennen!« Nicole selbst ging mit gutem Beispiel voran und griff zwei dicke Kerzen, deren Dochte und Flammen ziemlich hoch waren.
So rasch es ging, aber auch vorsichtig, damit die Flammen nicht verlöschten, führte sie die Kerzen an die Lianen heran.
Es zischte, als das Feuer Nahrung fand.
Und dann breitete es sich blitzschnell aus. Es fraß sich mit rasender Geschwindigkeit an der Liane hoch, die sofort verkohlte und sich zusammenzog wie ein Fragezeichen.
Nicole wurde an eine Lunte erinnert. An eine Lunte, die jedoch nicht erlosch, denn die Flammen sprühten weiter. Auf die Schachtöffnung zu.
Dort fanden sie neue Nahrung und wühlten sich in den magischen Pflanzenberg hinein, der die Öffnung förmlich verstopfte.
Sie rissen Löcher, aus denen dichter, schwarzer, stinkender Qualm nach unten kroch und die in der Nähe stehenden Menschen zum
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