0056 - Die Teufelshöhle
das ›T‹ auf dessen Rücken sehen. Er rechnete nicht mit der draufgängerischen Kühnheit eines einzelnen Fremden, der sich in seinen Tempel wagte.
»Es ist gut, Tivu. Dreh dich wieder um und berichte.«
»Wir fanden die Männer, wie sie den Pfad im Regenwald herauskamen. Wir überfielen sie. Zwei von ihnen sind in unserer Hand, Großer Herr.«
»Und der dritte?«, dröhnte die Stimme des Shuri.
»Der dritte ist Zamorra selbst. Ich möchte ihn dir persönlich prä- sentieren. Nur der Große Shuri selbst soll Rache nehmen am Jäger der Dämonen und Tempelgeister.«
»Wo ist Zamorra?«, fragte der Shuri mit Donnerstimme.
»Verzeih, Herr. Ich habe ihn in den Tempel gelassen.«
»Was?«, brüllte der Herrscher der Tempelgeister los. »Das hast du gewagt?«
»Hör mich an, Großer Shuri«, sagte der junge Tamile, der seine Rolle als Tivu gut spielte. »Es war eine List von mir. Als wir die beiden Fremden überwunden hatten, spürte ich, wie Zamorra meiner Fährte folgte. Ich war ganz sicher, dass außer ihm niemand mehr nach uns sucht. Da habe ich ihn auf meine Fährte gelockt. Ich habe ihm den unteren Eingang gezeigt, indem ich es eingerichtet habe, dass er zusehen konnte, wie ich die Strickleiter heraufkletterte. Ich war sicher, dass er mir folgen würde. Und dann erschien er schon im Schacht. Ich habe im zweiten Nebenschacht auf ihn gelauert. Er ist in den ersten eingestiegen, vom Eingang aus gesehen. Ich weiß, dass Zamorra fürchtet, noch einmal vom Wasser überrascht zu werden. Er wird bis zu den Schleusen vordringen und versuchen, sie zu verstopfen.«
Wutentbrannt brüllte der Große Shuri auf.
»Nimm deine Fackel!«, rief er dem vermeintlichen Tivu zu. »Du wirst uns durch den Tunnel leuchten. Und der Große Shuri wird diesem Zamorra selbst das Lebenslicht ausblasen. Unter diesen Händen hier soll er sterben. Ihr folgt mir, Shuris!«
Sie waren ihres Sieges sicher. Sie stürmten aus dem Prunkraum, fanden die Treppe. Tivus Bericht, ihre Wut, ihre Rachlust ließen sie alle Vorsicht vergessen.
Shandri hatte Mühe, ihnen zu folgen. Sie stürmten voran und kümmerten sich nicht um ihn. Für sie war die Stunde der Vergeltung gekommen.
Und Zamorra hörte sie heranstürmen. Er drückte sich in seinem Versteck dicht an die Wand. Das kleine Feuerzeug in seiner Hand war bereit, die Flammen über den Holzstoß springen zu lassen. Er tastete nach den zwei starken Baumstämmen, die er übrig gelassen hatte. Sie waren nicht mit der Masse aus Schwefelpech bestrichen.
Zamorra und Shandri würden sie zu etwas anderem gebrauchen.
***
Schon stürmten die Tempelgeister in den Hauptschacht. Allen voran der Große Shuri selbst. Sein Königsmantel wehte. Die Gier des Tötens stand in seinen wirren, flackernden Augen.
Zamorra sah seinen breiten Schatten, als er draußen vorbeihuschte. Dann folgten die schweren, unheimlichen Schatten der übrigen sieben.
Für Sekunden flackerte Lichtschein in den Nebenschacht. Das war Shandri mit seiner Fackel.
Der Plan würde gelingen. Die Shuris waren so rasend vor Wut, dass sie fast blindlings im Tunnel weiterstürmten. Sie ließen sich nicht die Zeit, Shandri herankommen zu lassen.
Im spärlichen Schein der Fackel hinter sich liefen sie weiter. Sie erreichten den zweiten Nebenschacht. Hetzten an ihm vorbei. Nur weiter, nur immer näher dem Gegner entgegen! Dem Todfeind Zamorra!
Der Professor sah vorsichtig hinaus in den Schacht.
Im schwachen Schein der Fackel, die sich immer weiter entfernte, sah er, wie die Shuris als dunkle, massige Schemen in den vordersten Nebenschacht einstiegen.
Er wartete, bis der letzte Schatten verschwunden war.
Dann arbeitete er fieberhaft. Aber jede Bewegung, jeder Handgriff war genau überlegt und vorher berechnet.
Die beiden Stämme hinaus! An die Wand gelehnt! Und nun den schweren Holzstoß herausgezogen in den Hauptschacht!
Das alles war Sache von Sekunden.
Zamorra brachte den Holzstoß so schräg zu stehen, dass Shandri zwischen ihm und der rechten Wand des Tunnels noch Platz zum Durchschlüpfen finden würde.
Dann sprang die kleine Flamme des Feuerzeugs an.
Zamorra hatte mehr als zwanzig Fackeln präpariert. Er steckte eine nach der anderen an, stellte sie nebeneinander an die Wand des Schachtes.
Dann nahm er die erste Fackel und strich damit über den vorbereiteten Holzstoß. Das Gemisch aus Schwefel und Pech fing sofort Feuer. Meterhoch schlugen die Flammen auf.
»Zurück, Shandri!«, rief er aus Leibeskräften in die Richtung, in die
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