0060 - Der Geisterfahrer
Einsatzkoffer und das Suitcase mit Zahnbürste, Rasierapparat und anderen Kleinigkeiten behielt ich in der Hand. Suko fiel es nicht gerade leicht, seine hünenhafte Gestalt auf die hintere Sitzbank zu zwängen.
Ich nahm auf dem Beifahrersitz Platz, und ab ging die Fahrt. Vom Flughafen in Richtung Bad Homburg – Königstein. Will Mallmann nahm Schleichwege, um nicht in den Freitagstau zu geraten. Er fuhr über Bundes- und Landstraßen. Zwischendurch schaltete er das Autoradio ein. In Stereo – Mallmann war HiFi-Fan – hörte ich von endlosen Staus auf den Autobahnen. Anscheinend fuhr am Freitagnachmittag halb Deutschland in dieser Gegend. Die Frankfurter Innenstadt war natürlich auch verstopft.
Wir gelangten dank Will Mallmanns Taktik gut voran. Vierzig Minuten später waren wir in Königstein, einem netten Städtchen mit rund zehntausend Einwohnern. Der Klimakurort im Taunus war landschaftlich sehr schön gelegen, das Villenviertel der Prominenz konnte sich sehen lassen.
Das Wetter meinte es heute gut mit uns. Doch wir waren nicht zu unserem Vergnügen hergereist. Offenbar lockte der Hochtaunus mit seinen romantischen Wäldern und Bergen in der letzten Zeit nicht nur Naturfreunde und Erholungsbedürftige, sondern auch dämonische Mächte an.
»Ich will beim BKA in Wiesbaden anrufen, ob etwas Neues vorliegt«, sagte Will Mallmann, als wir vor der Hotelrezeption standen. »Andernfalls müssen wir nachher selber Pläne schmieden.«
Wir wollten unser Gepäck aufs Zimmer bringen und verabredeten uns in zwanzig Minuten in der Bauernstube der Hotelgaststätte.
***
Am nächsten Tag, einem Dienstag, wollten wir uns die drei Unfallstellen ansehen und den Weg der Geisterfahrer im Wagen abfahren. In der richtigen Richtung natürlich, von der Unfallstelle bis zu dem Punkt, an dem die beiden Männer und die Frau – das erste Todesopfer – den falschen Kurs gewählt hatten.
Warum, das war noch ungewiß. Alle drei Fahrer hatten eine langjährige Fahrpraxis und waren weder betrunken noch sonstwie unpäßlich gewesen. Am Mittwoch würden wir, wenn sich bis dahin nichts ergeben hatte, den Taunus durchfahren.
Vielleicht spürte ich eine besondere Ausstrahlung, die die Anwesenheit von Dämonen ankündigte. Im Lauf meiner langen Praxis hatte ich einen Instinkt dafür entwickelt, der zwar nicht immer richtig ansprach, aber doch relativ häufig.
Eine Art sechsten Sinn. Bei Gelegenheit sollten wir zum BKA, wo Will Mallmann uns vorstellen, und wo wir mit hohen Beamten konferieren sollten. Man spielte mit dem Gedanken, in der Bundesrepublik eine Sonderabteilung zur Aufklärung von übernatürlichen Fällen einzurichten, ähnlich der meinen bei New Scotland Yard.
Immerhin war in Deutschland auch schon einiges passiert. Die Mächte der Finsternis hatten weltweit eine Offensive eröffnet. Die Ignoranz der Menschen des Atomzeitalters gegenüber »altmodischem Aberglauben«, wie Spuk und Schwarzer Magie, förderte ihre Pläne.
Vermutlich wäre schon die ganze Welt in einem Chaos von Grauen und Horror untergegangen, wenn die Dämonen und Horrorwesen nicht unter sich zerstritten gewesen wären. Sie liebten alle die Zwietracht und die Lüge, Asmodis, der Herrscher der Finsternis, war da keine Ausnahme.
Das Abendessen, eine Hausmacher Platte, war mehr als reichhaltig. Hinterher nahmen wir an der Hotelbar einen Verdauungsschluck. Will Mallmann wohnte bis auf weiteres bei uns im Hotel. Ich bestellte einen Bourbon on the rocks, Will Mallmann trank einen Frankenwein, und Suko, der Alkohol für sich selbst strikt ablehnte, nuckelte an seiner Cola.
Die Hotelbar war rustikal und gemütlich eingerichtet, durch ihre Butzenscheiben fiel nur wenig Tageslicht ein. Der Barmixer, ein »Schrumpfgermane« von knapp Einssechzig, sprach ein gemütliches Hessisch. An einem Tisch in der Bar feierten vier Landmaschinenvertreter einen guten Abschluß.
Sie waren ziemlich angeheitert und aufgekratzt. Der eine hielt es für lustig, meinen chinesischen Freund Suko als Zitrone zu bezeichnen. Suko hätte ihn mit einer Hand aus dem Fenster werfen können, er war Karateexperte und ein Schrank von einem Mann.
Aber Betrunkene hatten bei ihm Narrenfreiheit. Solange man ihn nicht zu sehr reizte, war der große Chinese mit dem breiten Pfannkuchengesicht eine Seele von einem Menschen.
Suko und ich trugen sportliche Kleidung.
Will Mallmann hatte auf Anzug und Seidenkrawatte nicht verzichtet. Er sprach leise und mit distinguierter Stimme.
»Wie geht es Jane, John?
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