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0061 - Der Hexenberg

0061 - Der Hexenberg

Titel: 0061 - Der Hexenberg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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waren.
    Sie hatte keine Ahnung, was die Gouvernante vorhatte. Eins stand jedenfalls für sie fest: Die Gouvernante hatte ihr abgenommen, dass sie einen wilden Hass auf Zamorra verspürte und begierig darauf war, es ihm fürchterlich heimzuzahlen. Und die Frau war bereit, ihren Rachegelüsten dienlich zu sein.
    Nicoles Überlegungen waren glasklar. Wenn sie Glück hatte, würde Fabienne ihr einige von den höllischen Tricks verraten, mit denen es ihr gelungen war, ihrem eigenen ehemaligen Liebhaber das Leben schwer zu machen.
    Natürlich hatte sie Zamorra nichts von dem geplanten Rendezvous mit der Erzieherin erzählt. Sie war drauf und dran gewesen, wenigstens Bill Fleming einzuweihen, hatte dann aber auch diese Überlegung fallengelassen. Bill war in gewisser Weise ein Klatschmaul. Mit Bestimmtheit würde er schnellstens dem Professor reinen Wein einschenken.
    Aber das wollte sie nicht. Sie zweifelte nicht daran, dass Zamorra ihrem Vorhaben Steine in den Weg legen würde.
    ›Viel zu gefährlich!‹ Das oder etwas ähnliches würde er sagen.
    Nicole hatte jedoch Selbstvertrauen genug, um mit etwaigen Gefahren allein fertig zu werden.
    Sie hatte sich nicht die Mühe gemacht, sich auszuziehen. Voll angekleidet lag sie auf dem Bett ihres Zimmers.
    Es herrschte Ruhe im Schloss. Alle hatten sich längst zur nächtlichen Ruhe zurückgezogen – ständige Bewohner und Gäste gleichermaßen.
    Nicole warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. Eine halbe Stunde nach Mitternacht. Es wurde langsam Zeit für sie. Ein Uhr! Das war der Zeitpunkt, an dem sie sich mit der Gouvernante treffen wollte.
    Sie erhob sich und tastete nach der Nachttischlampe. Dann griff sie nach den Schuhen und schlüpfte hinein. Sie ging zum Fenster und blickte nach draußen.
    Vollmond!
    War diese Mondphase nicht besonders geisterträchtig?
    Das ungute Gefühl in ihrer Brust verstärkte sich. Fabienne Duquesne stand mit bösen Mächten im Bunde. Wenn sie nun darauf aus war, ihr etwas anzutun?
    Quatsch , sagte sie zu sich selbst. Die Frau sah in ihr eine Verbündete. Es gab eine enge Verbindung zwischen ihnen. Hass auf die Männer! Enttäuschte, verschmähte Liebe! Sie waren Seelenverwandte, und Fabienne wollte ihr helfen.
    Nicole griff nach ihrer Handtasche und ging lautlos zur Tür. Sie kehrte noch einmal um und holte aus dem Kleiderschrank ein kleines Jäckchen, das sie überstreifte. Die Nacht war kühl, und sie wollte keine Erkältung riskieren.
    Dann öffnete sie die Zimmertür und trat hinaus in den Korridor.
    Niemand war zu sehen. Leise zog sie die Tür ins Schloss und ging zur Treppe. Unten in der Halle brannte ein riesiger Kronleuchter, versorgte diesen Teil von Château de Berri mit ausreichendem Licht.
    Sie schritt die Treppe hinab, durchquerte die Halle und öffnete die schwere Eichentür, die hinaus in den Schlosspark führte.
    Die Nacht umfing sie. Es war in der Tat ein wenig kühl. Ein leichter Wind wehte, der aber nicht einmal unangenehm war.
    Noch einmal zögerte Nicole. Letzte Gelegenheit zum Umkehren.
    Da war ein leichtes Ziehen in der Herzgegend…
    Nicole schalt sich eine Närrin. Was sollte schon passieren? Sie konnte höchstens etwas lernen, das war alles.
    Sie schob alle Bedenken energisch beiseite, schloss die Portaltür hinter sich und marschierte ohne zu zögern in den Park hinein.
    Es war gespenstisch. Das bleiche Gesicht des Mondes, das zwischen den kahlen Ästen und Zweigen der toten Flora hindurchlugte.
    Vergilbte Blätter, die hier und dort vom Wind hochgewirbelt wurden. Ansonsten völlige Lautlosigkeit. Kein Nachtvogel ließ seinen Ruf ertönen, kein Nagetier raschelte im Gebüsch.
    Nicole unterdrückte ein Schaudern und ging weiter. Dieser abgestorbene Garten machte schon am Tag einen abstoßenden Eindruck.
    In der Nacht jedoch verwandelte er sich in die Kulisse eines Alptraums.
    Nicole brauchte gar nicht bis zu der Bank zu gehen, an der sie sich mit der Gouvernante treffen wollte. Fabienne Duquesne war bereits da, kam ihr entgegen.
    Die Frau trug ein langes, strenggeschnittenes Kleid, das sich eng an ihren Körper anlegte. Die Farbe des Kleides war rot, und zwar von einer solchen Intensität, dass selbst in der nächtlichen Dunkelheit ein Leuchten festgestellt werden konnte.
    Einen auffälligen Kontrast bildete die bleiche Gesichtsfarbe der Erzieherin. Die Totenähnlichkeit des Gesichts wurde nur durch die glashellen Augen aufgelockert, in denen sich die Strahlen des Mondlichts spiegelten.
    »Schön, dass Sie gekommen sind,

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