0061 - Der Hexenberg
entgegen.
»Ich bin nicht freiwillig hier!«, brach es aus Nicole hervor. »Man hat mich in eine Falle gelockt, hat mich gezwungen…«
»Du hast an der Zeremonie des fünfstrahligen Sterns teilgenommen!«, donnerte der Dämon. »Es war dein Wunsch, dein eigener Entschluss, Dienerin und Braut der Herren der Dimensionen zu werden.«
»Eben nicht! Das ganze ist ein furchtbarer Irrtum. Man hat mir deine Maske übergestülpt, hat mich mit Feuer bedroht, hat meine Füße gelähmt. Noch einmal: Ich bin nicht freiwillig hier! Ich will zurück. Bitte, lass mich zurück!«
»Zurück?«
Gelächter explodierte in Nicoles Bewusstsein.
»Wer einmal Einkehr gehalten hat ins Zwischenreich der Herren der Dimensionen, ist ihm auf ewig verfallen!«
Einen kurzen Augenblick war Nicoles Geist frei von den fremden Gedanken. Dann kehrten sie umso eindringlicher zurück.
Sie hatten eine neue Ausdrucksform angenommen, schleimig, widerlich, obszön.
»Du bist wie eine Feuerblume und erfüllst mein Wesen mit Wohlgefallen. Ja, du gefällst mir!«
Obgleich sie immer noch die Augen geschlossen hielt, spürte Nicole ganz deutlich, dass sich der Dämon ihr näherte. Entsetzt schnellten ihre Lider nach oben.
Da war er.
Unmittelbar vor ihr!
Seine klauenartigen Hände zuckten vor, rissen ihr die Kleider vom Leib, die sie trug, seitdem sie in der Nacht ihr Zimmer auf Château de Berri verlassen hatte.
»Ja, du gefällst mir«, wiederholte der Herr des fließenden Blutes.
Nicole Duval war kein prüdes Mädchen. Aber jetzt, nackt vor diesem Unhold, schämte sie sich bis in den Grund ihrer Seele. Obwohl er sie nicht weiter berührte, fühlte sie sich besudelt, beschmutzt, geschändet.
Astabaal blieben ihre Gefühle offenbar nicht verborgen.
Wellen des Zorns schlugen über ihr zusammen.
»Du wirst noch stolz darauf sein, Braut des Herrn des fließenden Blutes zu werden, Dienerin! Bald! Bald wird unsere Hochzeit sein!«
Nicole merkte, dass er verschwunden war. Tief seufzte sie. Sie war unendlich dankbar dafür, wieder allein zu sein. Mochte der Ort, an dem sie sich hier befand, auch noch so beängstigend sein. Ohne die Gegenwart des Fledermaus-Dämons erschien er ihr beinahe als Paradies.
Sie blieb nicht lange allein.
Plötzlich waren sie da.
Drei, vier Gestalten. Junge Frauen, nackt und gut gewachsen.
Dies war der flüchtige Eindruck, den sie auf den ersten Blick gewann. Beim zweiten Blick aber erkannte sie, dass es sich nicht um normale Mädchen handelte, wie man sie an einem x-beliebigen FKK-Strand an der Cote d’Azur treffen konnte.
Die Frauen waren nur menschenähnlich, nicht menschlich. Ihre Ohren erschienen übergroß, verjüngten sich nach oben hin. Die Augen hingegen waren winzig, nur noch rudimentär vorhanden. Spitze Eckzähne zeigten sich in den Mundwinkeln.
»Wer seid ihr?«, fragte Nicole nervös.
Die Antwort kam wiederum nicht in Worten, sondern in Gedanken, die Nicole sofort verstand. Eins musste man diesem Reich hier lassen: Verständigungsschwierigkeiten gab es nicht.
»Wir sind das, was du auch dereinst sein wirst«, wurde ihr bedeutet.
»Das verstehe ich nicht.«
»Wenn deine Zeit auf Erden abgelaufen ist und du ganz heimkommst zu deinem und unserem Herrn, um ihm zu dienen, wirst du eine von uns sein.«
Nicole wurde ganz schlecht bei dieser Vorstellung. Auf ewig diesem Dämon ausgeliefert zu sein, nicht einmal durch den Tod diesem schrecklichen Schicksal entgehen zu können. Konnte es etwas Schlimmeres geben?
Jede dieser Frauen war ein Exemplar der Gattung Sukkubus – weibliche Buhlteufel, Dienerinnen und Lustgespielinnen der Dämonen.
Nicole wurde schnell klar, was die auf ewig verdammten Weiber von ihr wollten. Sie sollte zur Hochzeit mit Astabaal vorbereitet werden.
Und so geschah es.
Sie wurde gebadet, in einer Flüssigkeit, die ihr einmal vorkam wie flüssiger Teer, dann wieder wie Milch. Ihre Haut wurde mit Essenzen besprüht, die hier wohl als Parfüm galten. Das Aroma schien gleichzeitig aus einem Blumengarten und aus einer Abdeckerei zu kommen. Schmuck wurde ihr umgehängt – eine Kette, die anscheinend aus kristallisierten Blutstropfen bestand. Zum Schluss steckte man sie in ein Gewand, dessen schillernde, fließende Farben den Regenbogen grau erscheinen ließen. Das Gewand war wie eine zweite Haut, machte auf sie den Eindruck, als sei es von schleimigem, kriechendem Eigenleben erfüllt.
Dann sah es so aus, als sei der entsetzliche Augenblick der Vermählung mit dem Dämonen
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