0061 - Der Hexenberg
sagte er. »Tod und Teufel sollen mich nicht aufhalten.«
Bill Fleming blickte seinen Freund erstaunt an.
»Du willst…«
»Ja!«
Der Amerikaner nickte. »Ich komme natürlich mit«, sagte er. »Zu zweit…«
»Das geht nicht«, unterbrach Zamorra. »Wir haben nur einen Stab…«
Bill beugte sich über die Frau. »Wie ist es, Teufelsbraten. Können auch zwei Personen mit deinem Zauberstab… reisen?«
»Nein, nein«, widersprach Duquesne. »Nur wer die Weihe der Hochzeit erfahren hat, darf…«
»Quatsch mit Soße«, sagte Bill. »Ist es grundsätzlich möglich oder nicht?«
Fabienne Duquesne geriet fast außer sich. »Grundsätzlich schon. Aber… Der Stab der tausend Reisen ist das Hochzeitsgeschenk meines Herrn Sybaoth. Nur ich selbst …«
In diesem Augenblick wurde die Zimmertür aufgerissen. Maurice d’Aragnan, mit einem seidenen Morgenmantel bekleidet, stand im Rahmen.
»Was ist passiert? Ich habe einen Schrei gehört, als wenn jemand abgestochen würde.«
Die Gouvernante bewies, dass sie ein geschicktes Frauenzimmer war.
»Maurice!«, rief sie flehend. »Du weißt, ich liebe dich. Bei allem, was einst zwischen uns gewesen ist, hilf mir. Diese beiden Männer wollten mich vergewaltigen. Maurice…«
Sie war nicht nur geschickt, sie war auch schlecht wie die Nacht.
Zamorra merkte plötzlich, wie sich etwas lähmend auf sein Bewusstsein legte. Vor seinem geistigen Auge entstand das Bildnis eines dämonischen Stiermenschen. Das Weib hatte seine momentane Unkonzentriertheit, die durch den Eintritt des Comte verursacht worden war, sofort genutzt, um einen geistigen Angriff auf ihn zu starten.
Er hatte vor, das Amulett wieder gegen ihre Stirn zu drücken, aber seine Hand wollte ihm nicht gehorchen. Wie von selbst begannen seine Finger auseinander zustreben. Gleich würde er das Amulett fallen lassen.
»Bill!« krächzte er mit letzter Kraft.
Der Freund reagierte blitzschnell. Ein genau angesetzter Karateschlag mit der Handkante setzte Fabienne Duquesne außer Gefecht und schickte sie wieder ins Land der Träume.
Der Druck auf Zamorras Bewusstsein hörte augenblicklich auf.
»Das war knapp«, kommentierte er. Er war ärgerlich auf sich selbst. Beim Umgang mit dem Bösen konnten Flüchtigkeitsfehler verhängnisvolle Folgen haben. Es war gerade noch einmal gut gegangen.
D’Aragnan hatte die Szene verständnislos verfolgt. Zamorra gab ihm keine Gelegenheit, überflüssige Fragen zu stellen.
»Maurice, gibt es unten im Dorf einen fähigen und vertrauenswürdigen Arzt?«
»Doktor Ducas, ein Freund von mir.«
»Bon! Lass ihn bitte sofort herkommen«, sagte der Professor.
»Während unserer Abwesenheit darf Fabienne Duquesne das Bewusstsein nicht wiedererlangen. Sie muss unter Dauernarkose gehalten werden. Alles klar?«
»Schon, aber… Ihr wollt weg?«
Zamorra blickte auf den magischen Stab, der auf dem Boden lag wie ein weggeworfener Spazierstock.
»Wir werden eine kleine Reise unternehmen«, sagte er.
***
Von einem Herzschlag zum nächsten fühlte sich Nicole an einen anderen Ort versetzt. Die Klauen des Dämonen hatten sie gepackt, und schon war es geschehen.
Immer noch in Gesellschaft Astabaals fand sie sich vor einer riesigen Mauer wieder. Die Wand glänzte in einem blutigen Gold und schien bis in die Unendlichkeit zu reichen. Ringsum war das pure Nichts. Formlose Nebel wallten wie Dampf, der aus einer Giftküche kam. Aber diese Nebel waren nicht substanzlos, erwiesen sich als stabil genug, um auf ihnen zu stehen und zu gehen.
Astabaal zog sie mit sich und marschierte geradewegs auf die Mauer zu. Als sie unmittelbar davor standen, tat sich eine Lücke auf, wie ein Vorhang, der plötzlich hochgezogen wurde.
In der Lücke flimmerte es diffus.
Nicoles Augen fingen an zu tränen. Nur undeutlich erkannte sie die Gestalten, die auf einmal allgegenwärtig waren.
Es waren Gestalten eines Wirklichkeit gewordenen Alptraums, Monster wie sie sich die abartigste Phantasie nicht ausdenken konnte: Vierarmige Riesen mit Drachenköpfen und rasiermesserscharfen Klauen, sich windende Riesenschlangen mit verzerrten, menschlichen Gesichtern, Kraken mit unzähligen säulenartigen Fangarmen.
Wächter der Höllentore , fuhr es Nicole durch den Kopf.
Und mit diesem Gedanken schien sie gar nicht so falsch zu liegen, denn es war offenkundig, dass Astabaal mit den Horrorgestalten ein lautloses Gespräch führte, das auch bald zum Abschluss kam.
Der Herr des fließenden Blutes verschwand. Nicole war allein
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