0061 - Der Hexenberg
war nicht allein in diesem Zimmer. Er nahm die Strömungen einer zweiten Person auf, einer Frau. Und diese Strömungen…
Entschlossen drückte er die Klinke der Tür nach unten. Vorher hatte er noch die Kette vom Hals genommen. Das Silberamulett ruht nun in seiner Hand, nicht sichtbar für Außenstehende.
An einem Tisch saßen zwei weibliche Wesen – Françoise und eine Frau, die er noch nicht kannte. Das Kind hatte einen Füllfederhalter in der Hand und schrieb etwas in ein Heft. Bücher lagen auf dem Tisch, die Zamorra als Lehr- und Schulbücher erkannte.
An Hand dieser Erkenntnis fiel es ihm nicht schwer, die Identität der Frau zu erraten. Es handelte sich ganz offensichtlich um die Erzieherin, die der Comte nach dem Tod seiner Frau für seine Kinder engagiert hatte.
Aufmerksam betrachtete er die Gouvernante. Sie war noch recht jung, um die dreißig etwa. Mit ihrer Figur hätte sie nicht unbedingt an einer Misswahl teilnehmen können, aber sie konnte sich dennoch durchaus sehen lassen. Sie hatte pechschwarzes Haar und ein Gesicht, das im landläufigen Sinne als hübsch galt. Nur eins verwischte den oberflächlichen Eindruck, hier eine Frau vor sich zu haben, wie es sie zu Millionen in aller Herren Länder gab: Die Augen!
Sie waren hell, so hell wie die Wasser eines klaren Bergsees, bei dem man bis auf den Grund blicken konnte.
Aber diese Augen ließen keinen Grund erkennen. Sie erschienen abgrundtief bodenlos. Dem Professor war, als würde er förmlich in den Abgrund hineingezogen, tiefer und tiefer. Und wenn er den Grund auch nicht erkennen konnte, so wusste er doch, was dort lauerte.
Das Böse!
Es hätte nicht einmal der Warnsignale seines Amuletts bedurft, um dies zu erkennen.
Böser Blick! Ja, es gab Menschen, auf die dieser Ausdruck passte.
Einer von ihnen saß vor ihm.
Gewaltsam riss er sich von diesen bohrenden Augen los, deren hypnotische Kraft selbst ihm gefährlich werden konnte.
»Entschuldigung«, murmelte er. »Ich habe mich wohl in der Tür geirrt.«
Und dann verließ er das Zimmer wieder und drückte die Tür ins Schloss.
Sein Atem ging schwerer als gewöhnlich. Mit größter Wahrscheinlichkeit hatte er gefunden, was er suchte. Aber er hielt es zunächst einmal für angebracht, sich nähere Informationen über die Frau zu beschaffen. Schon immer war er der Ansicht gewesen, dass gut gerüstet halb gewonnen war. Auch in diesem Fall wollte er von dieser goldenen Regel nicht abgehen.
Wenig später hatte er mit seiner Suche nach dem Comte Erfolg. Er fand ihn im sogenannten Gelben Salon, der bei Gesellschaften auf dem Schloss als Rauchzimmer diente und allein dem männlichen Geschlecht vorbehalten war.
Diesmal konnte allerdings vom Ausschluss der holden Weiblichkeit keine Rede sein. D’Aragnan war nicht allein, sondern befand sich in charmanter Gesellschaft. Nicole war bei ihm.
Zamorra erinnerte sich. Maurice d’Aragnan war schon immer ein Schwerenöter gewesen, der jedem Rockzipfel nachjagte. Jetzt wollte er offenbar seinem Ruf gerecht werden und bemühte sich, die gute Nicole für sich einzunehmen. Die Art und Weise, in der er auf sie einplauderte, war jedenfalls deutlich genug. Der Professor lächelte dennoch. Er kannte Nicole genau. Sein alter Freund würde bei ihr keinen Blumentopf gewinnen, auch wenn er sich noch so sehr ins Zeug legte.
Die beiden saßen in eng beieinanderstehenden Clubsesseln und hatten seine Annäherung anscheinend noch nicht bemerkt.
Die dämpfende Wirkung des schweren Teppichs ausnutzend, trat Zamorra näher.
»Störe ich?«
D’Aragnan fuhr regelrecht zusammen.
»Mein Gott, hast du mich erschreckt«, beschwerte er sich.
Nicole lächelte nur und zwinkerte ihrem Chef mit den Augen zu.
Zamorra zog sich einen anderen Sessel heran und nahm ebenfalls Platz. Er kam ziemlich schnell zur Sache.
»Maurice, erzähle mir etwas über die Gouvernante ja?«
»Über Fabienne?«
»Wenn sie so heißt…« Zamorra war nicht entgangen, dass er den Namen der Frau etwas eigentümlich aussprach.
»Was willst du wissen?«
»Alles«, antwortete Zamorra. »Herkunft, Referenzen, ihr Status hier auf dem Schloss.«
D’Aragnan nickte. »Fabienne Duquesne ist etwa seit zwei Jahren hier. Sie ist eigentlich Lehrerin und war vorher an einem Gymnasium in Clermont-Ferrand tätig, wo ich sie wegengagiert habe. Sie stammt aus bescheidenen, aber achtbaren Verhältnissen. Eine erstklassige Kraft. Meine Kinder hätten es nicht besser treffen können. Und außerdem…« Er
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