0062 - Der tödliche Zauber
hinreichend gut erkennen.
Zwei Frauen verschwanden mit Mercedes in einem der Planwagen. Nach einigen Minuten erschienen sie wieder, Mercedes zwischen ihnen. Sie trug jetzt ein langes weißes Gewand, einem Büßerhemd ähnlich, und trat gefaßt in den Kreis aus Menschenleibern, der sich gebildet hatte.
Dann trat Zamorra in den Kreis. Er befahl Mercedes, sich auf den Boden zu legen. Nicole hockte sich neben ihren Kopf, um sie notfalls stützen oder festhalten zu können, wenn die Angriffe des Satans zu übermächtig werden sollten.
Dann begann Zamorra um die liegende Frau herum ein Pentagramm zu zeichnen, einen Drudenfuß, ähnlich dem, der sich auf dem Amulett befand, das der Schwarze Branko auf der Stirn trug.
An die Ecken des fünfzackigen Sterns stellte er je eine Kerze, die er sich von einer der Frauen hatte besorgen lassen.
Schließlich trat er selbst in den Kreis und begann mit der Beschwörung der bösen Geister.
Zamorra bediente sich einer Sprache, von der noch nicht einmal schriftliche Aufzeichnungen existieren. Die Sprache war so alt wie das Menschengeschlecht. Schon im altertümlichen Ägypten hatten damit die Eingeborenen böse Einflüsse von sich abgewendet.
Zamorras Stimme wurde immer lauter. Deutlich spürte er den Einfluß Rosarios, den dieser auf seinen Geist nahm. Dankbar spürte er, daß Rosario ihm noch mehr Kraft verlieh, um die anstrengende Prozedur zuende führen zu können.
Mercedes, die die ganze Zeit über still dagelegen hatte, begann sich zu bewegen. Sie schien unter einer inneren Spannung zu stehen.
Sie bäumte sich auf, als würde in ihr ein schrecklicher Kampf toben.
Schaum trat ihr auf die Lippen, und Nicole Duval hatte große Mühe, sie auf dem Boden festzuhalten. Fast schien es so, als wolle Mercedes sich gegen ihre Retter wenden. Das einstmals bildschöne Gesicht war kaum noch wiederzuerkennen.
Es war totenblaß und gleich darauf wieder puterrot. Der kalte Schweiß stand der Frau auf der Stirn. Von Zeit zu Zeit tupfte Nicole ihn mit einem Tuch ab.
Die Mitglieder der Zigeunerschar, auch die aus anderen Lagern und Sippen, folgten der Zeremonie in stummer Anteilnahme.
Zamorra deklamierte die uralten Formeln immer lauter und lauter, bis der Klang seiner Stimme von einem hohlen Brausen übertönt wurde.
Unwillkürlich blickte er auf, suchte mit den Augen den nächtlichen Himmel ab und entdeckte, worauf er gewartet hatte.
Erst war es nur ein winziger Lichtfleck, doch er wurde von Sekunde zu Sekunde größer und größer.
Bald schon konnte Zamorra erkennen, was es war.
Es handelte sich um den prächtigen Wagen des Schwarzen Branko, den er auch schon im Lager der Satanssippe gesehen hatte. Hatte Branko etwa schon gemerkt, daß ihm seine wichtigste Waffe gestohlen worden war?
Zamorra wünschte sich, daß dies nicht der Fall sein möge.
Es wäre für ihn eine schreckliche Niederlage geworden. Er hätte dicht vor dem Ziel umkehren müssen.
Der Wagen, von zwei Rappen gezogen, jagte durch die Lüfte heran. Das gesamte Firmament schien mitzuschwingen und zu dröhnen. Angstvoll schauten die Kinder zum Himmel. Die Frauen beteten monoton.
Ein ehernes Wiehern tanzte von Horizont zu Horizont. Die Rappen bliesen pfeifend die Luft durch die Nüstern. Es sah fast so aus, als würden ihnen Flammen aus den Atemöffnungen schlagen.
Mit einem ohrenbetäubenden Krachen setzte der Wagen auf. Sekundenlang tat sich nichts.
Dann erschien eine Hand und zog die Plane des Wagens ein kleines Stück zurück.
Und dann brach die Hölle los…
***
Der Wind wurde zum Sturm. Er hatte seinen Ursprung in dem gespenstischen Wagen, der wie aus dem Nichts kommend inmitten des Zigeunerlagers gelandet war.
Die Kinder rannten schreiend davon. Frauen kreischten auf. Und auch die Männer machten Anstalten zu fliehen.
Erst Rosarios Stimme hielt sie zurück.
»Bleibt! Er kann euch nichts anhaben. Ohne die Satanskeule ist seine Macht beschränkt!«
Die Männer blieben zwar stehen, doch sie konnten sich dem Grauen nicht entziehen.
Eine höllische Schar quoll aus dem Wagen. Uralte Frauen, Männer, zu Skeletten abgemagert, kletterten herunter und versammelten sich um das Lagerfeuer. Sie führten einen wilden Tanz auf. Einige von ihnen sprangen über das Feuer, wie es bei den Sonnenwendfeuern in ländlichen Gegenden Sitte ist.
Nur war das keine fröhliche Feier, sondern hier regierte der Satan.
Er hatte die Initiative ergriffen und schwang sein höllisches Zepter.
Die Unholde aus dem Jenseits stimmten einen
Weitere Kostenlose Bücher