0062 - Wir fanden die geballte Ladung
ein Recht darauf, zu erfahren, was hier vorgeht. Glauben Sie nicht, dass wir neugierige Leute wären oder unsere Nase überall hineinstecken müssten. Gewiss nicht. Aber wenn Sie einige Hundert Meilen von der nächsten Küste entfernt auf einem Schiff sind, wo die Mannschaft auf einmal halb verrückt geworden ist, dann fangen auch Sie an, neugierig zu werden, und möchten gern wissen, was nun eigentlich los ist.«
Ferrerez fluchte halblaut vor sich hin. Aber er wollte uns keine Erklärung für das eigenartige Suchmanöver der Mannschaft geben. Obgleich wir ihn ziemlich grob danach fragten. Schließlich riss mir der Geduldsfaden.
»Komm, Phil«, sagte ich. »Gehen wir zum Kapitän! Das wollen wir doch sehen, ob wir erfahren, was vorgeht, oder nicht.«
Noch eine Etage höher lag der Kommandoraum oder wie man das auf einem großen Kahn nun immer nennen mag. Es war ein Raum, der die ganze Breite der oberen Aufbauten einnahm und auf beiden Bordseiten durch zwei überdachte Brücken bis an die äußerste Bordwand des Schiffes geführt wurde. Die vordere Wand der Verkleidung bestand etwa von Brusthöhe an bis zur Decke nur aus dickem Wetterglas, sodass man einen weiten Blick über die endlose Fläche des Meeres hatte.
Unterhalb des gut acht Yards breiten Fensters waren Verschlusskappen von Sprachrohren und einige Instrumente, deren Bedeutung uns unbekannt war. Etwa in der Mitte des Raumes stand auf einem Sockel ein Matrose hinter einem Steuerrad. Neben ihm war der Maschinentelegraf mit seinen Aufschriften.
Als wir eintraten, stand der Hebelgriff des Maschinentelegrafen auf volle voraus.
Am Fenster des Kommandoraumes stand Kapitän Conder. Der kleine, grauhaarige Mann hatte ein verwittertes Gesicht, das zeigte, dass er den größten Teil seines Lebens in Wind und Wetter zugebracht hatte. Er trug jetzt eine weiße Leinenhose und ein weißes Hemd mit zwei ziemlich großen Schulterstücken, auf denen mit Goldlitze seine Kapitänsrangzeichen aufgenäht waren.
»Hallo, Kapitän«, sagten Phil und ich, als wir von der Rückseite her den Kommandoraum betraten.
Conder drehte sich langsam um. Er musterte uns aus schmalen Augen, die düster unter den zusammengezogenen Augenbrauen standen.
»Na?«, knurrte er mürrisch. »Was ist los?«
Wir traten zu ihm an die Fensterwand. Phil deutete einfach hinab auf die Decks und sagte: »Das möchten wir gern von Ihnen wissen, Kapitän.«
»Seemännische Übungen«, sagte er.
»Dasselbe hat uns Ferrerez auch schon einreden wollen«, sagte ich. »Aber ein Laie sieht, dass nichts geübt, sondern etwas gesucht wird. Was suchen die Leute, Kapitän? Dass es etwas verdammt Wichtiges sein muss, kann man an ihren Gesichtern erkennen.«
Conder wandte sich wieder zu uns.
»Erstens«, bellte er in seiner schroffen Art, »erstens wäre ich Ihnen keine Rechenschaft schuldig, selbst wenn etwas los wäre. Zweitens handelt es sich um seemännische Übungen, deren Sinn Ihnen als Laien verschlossen bleiben muss. Drittens haben die Passagiere auf der Brücke nichts zu suchen.«
Phil sah mich an. Ich nickte, während ich schon in die Hosentasche fasste.
»Okay«, erklärte ich. »Wir verschwinden gleich wieder. Aber vorher möchten wir gern mit Ihnen eine Minute lang unter vier Augen sprechen, Kapitän. Und das Recht haben wir doch wohl als Passagiere.«
Conder wollte aufbrausen, aber er besann sich plötzlich, ging zur Steuerbord-Seitenbrücke und brummte: »Na los, kommen Sie!«
Wir gingen ihm nach. Am äußersten Ende der knapp zwei Yards breiten Auslegerbrücke blieb Conder stehen.
»Na? Was wollen Sie?«
Ich fischte meinen Ausweis als Beamter der nordamerikanischen Bundespolizei aus der Hosentasche und hielt ihn Conder hin. Er griff zögernd nach der Zellophanhülle und besah sich den Dienstausweis.
»Sie sind G-man vom FBI?«, murmelte er überrascht.
»Ja. Mein Freund ebenfalls.«
»Aber Sie stehen doch in der Passagierliste als…«
Ich unterbrach ihn mit einer Handbewegung.
»Wir wollten an Bord unsere Ruhe haben.«
Conder gab mir den Ausweis zurück. Es kam mir vor, als läge in der Geste, mit der er es tat, so etwas wie Hochachtung. Auch sein Ton wurde um eine Nuance weniger ruppig, als er leise sagte: »Das konnte ich natürlich nicht wissen. Ich muss mich nach der Passagierliste richten. Sind Sie, ich meine, sind Sie in dienstlicher Eigenschaft an Bord?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nicht direkt, wenn Sie vielleicht meinen, dass wir an Bord einen bestimmten Auftrag zu
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