0063 - Sandra und ihr zweites Ich
nichts. Sandras Ebenbild tat noch einen Schritt rückwärts, doch anstatt gegen die Wand zu prallen, verschmolz sie damit und war im nächsten Augenblick in der Mauer verschwunden.
Ich schwang herum und suchte die Halle ab. Der Dämon tauchte nicht mehr auf.
Suko stemmte sich vom Boden ab. »Das war knapp«, sagte er trocken und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
»Ja, das war knapp«, bestätigte ich und schob das Kreuz unter mein Hemd zurück. »Und das war erst der Anfang!«
***
Larry Flint bezahlte das Taxi und stieg vor seinem Haus aus. Scheu sah er sich nach allen Seiten um.
Während der Fahrt hatte er sich ein wenig beruhigt, aber er war nach wie vor davon überzeugt, daß er sich nichts eingebildet hatte. Sandra war tot! Und doch hatte er sie sehr lebendig vor sich gesehen!
Stöhnend griff er sich an den Kopf und wankte auf die Haustür zu.
»He, Mister, ist Ihnen nicht gut?« rief der Taxifahrer hinter ihm her. »Kann ich Ihnen helfen?«
Larry Flint winkte ab. »Danke, es geht schon«, antwortete er müde, schloß die Tür auf und schleppte sich zu seinem Apartment hoch.
Erst als er in seiner Wohnung angekommen war, fühlte er sich besser. Seufzend ließ er sich in einen Sessel fallen und schloß die Augen. Gedämpftes Licht erfüllte das Apartment. Es war modern eingerichtet, sauber aufgeräumt und vertraut. Er konnte sich gar nicht vorstellen, daß er sich jemals in diesem alten Haus wohlgefühlt hatte.
Wieso hatte ihn Sandra fasziniert? Er erinnerte sich daran, wie er sie kennengelernt hatte. Es war in einer Buchhandlung gewesen. Sie waren ins Gespräch gekommen, und Sandra hatte ihn zu sich eingeladen. Er war von ihrer Schönheit berauscht gewesen. Trotzdem hatte er sie nicht einmal geküßt. Er hatte sie nur immer wieder besucht, und sie hatte in dunklen Andeutungen von ihrer Arbeit gesprochen, von einem großen Ziel, das sie verfolgte. Er war nie dahintergekommen, was sie meinte, und sie hatte ihn immer vertröstet, er wäre noch nicht reif dafür.
Stundenlang blieb er sitzen und grübelte.
Das Schrillen der Türklingel riß Larry Flint hoch. Entsetzt starrte er auf die Tür. Er wollte auf keinen Fall öffnen. Trotzdem erhob er sich und schloß auf. Er konnte gar nicht anders.
Larry Flint taumelte, als er Sandra vor sich stehen sah. Er rang nach Luft und wollte die Tür wieder zuschlagen, doch sie trat bereits ein und schob ihn ins Wohnzimmer.
»Sandra«, sagte er krächzend. »Um Himmels willen, wieso… wie kommst du… hierher?«
Sie lächelte unergründlich, drückte ihn auf den Sessel und setzte sich ihm gegenüber. »Ich habe dir von meinem großen Ziel erzählt«, flüsterte sie mit leuchtenden Augen. »Ich habe es bereits erreicht! Und ich biete auch dir an, zu uns zu stoßen!«
Larry schüttelte entsetzt den Kopf. »Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Sandra«, sagte er keuchend. »Aber ich will nichts davon wissen! Bitte, geh weg! Laß mich!«
»Larry!« Sie beugte sich vor und starrte ihn hypnotisierend an. »Larry, ich habe einen Menschen gesucht, der mir hilft, der genau wie ich entschlossen ist, dem Bösen zu dienen. Komm mit mir in das Reich der Dämonen, dann kämpfen wir gemeinsam gegen das Gute! Nutze die Chance! Mach es wie ich!«
Larry Flint saß wie vom Donner gerührt. Er verstand nicht die Hälfte von Sandras Worten, aber er fühlte die grauenhafte Gefahr, die auf ihn zukam.
Mit einem erstickten Schrei sprang er auf. Auch Sandra schnellte aus ihrem Sessel hoch, aber bevor sie ihm den Weg versperren konnte, stürzte Larry Flint schreiend in die Diele.
Todesangst trieb ihn an. Mit zitternden Fingern griff er nach der Klinke und riß die Tür auf.
In diesem Moment wurde er von hinten gepackt.
***
Ich fand in der Halle ein Telefon und rief den Yard an. Meine Kollegen sollten sich um die Leiche im Garten kümmern.
»Wer hat sie umgebracht?« fragte Suko schaudernd.
Ich zuckte nur die Schultern, drückte die Gabel und wählte Janes Nummer. »Ich spekuliere nicht gern«, antwortete ich. »Bei Jane meldet sich niemand.«
Suko trat an eines der Fenster und drehte sich grinsend um.
»Sie kann sich auch nicht melden«, sagte er und deutete in den Garten.
Ich lief zur Tür und öffnete. Jane Collins wollte sich heimlich an das Haus heranschleichen. Jetzt richtete sie sich auf und kam rasch zu mir.
»John, wie siehst du denn aus?« rief sie. »Hast du in der Regenrinne gebadet?«
Sie hatte sich umgezogen und trug einen ebenso schicken wie praktischen
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